Hansa Genossenschaftsversammlung: Ivica Krijan aus Aufsichtsrat rausgewählt

Am vergangenen Wochenende hielt Hamburgs Großzentrale eine Genossenschafts-Versammlung ab. In Coronazeiten war das erstmals eine elektronische. Ein paar  Tage lang wurde schriftlich über 14 Anträge wie in einem Internetforum diskutiert, dann abgestimmt. Besonders kontrovers ging es beim ersten und beim letzten Tagesordnungspunkt (TOP) zu: Dem Abwahlantrag gegen den streitbaren Aufsichtsrat Ivica Krijan sowie einem Antrag, eine Teilflotte (“Aktive Teilnehmer”, ATs) bei Hansa aufzulösen.

 

Durch nur zwei Stimmen wurde entschieden, dass Krijan seinen AR-Sitz verliert (169 ja, 55 nein, 9 Enthaltungen – satzungmäßge 3/4-Mehrheit mit zwei Stimmen drüber erreicht). Und eine große Mehrheit der Genossen will vom Vorstand die Abschaffung der ATs, also der Flotte an Wagen in Vollvermittlung, aber ohne dazugehörigen Genossenschaftsanteil.

 

Bei dieser Online-Versammlung nahmen mehr Mitglieder teil als bei den sonst üblichen Präsenzveranstaltungen, deutlich über 300 waren es. Kein Wunder, denn bei Hansa brodelt es.

 

Der Taxiunternehmer Ivica Krijan

Der Abwahlantrag war erfolgreich, zwei Stimmen fehlten Ivica Krijan zum Verbleib im Aufsichtsrat (Foto: privat)

 

Zuerst: Durch die Corona-Pandemie sind auch bei den Hansis die Umsätze um die Hälfte weggebrochen. Das trifft diesen Teil des Hamburgers Taxigewerbes besonders hart und unerwartet, denn jahrzehntelang konnten sich die Unternehmer und angestellten Fahrer darauf verlassen, als Ölfleck immer auf der Taxisuppe oben zu schwimmen, selbst wenn dieses beizeiten recht dünn war. Während selbstfahrende Einzelunternehmer die Verluste zumindest teilweise durch Mehrarbeit ausgleichen können, kommen Mehrwagenbetriebe mit viel Fahrpersonal und drohenden Behörden-Problemen bei Nichtbeachtung der Arbeitsschutzgesetze auch bei der Vorzeige-Zentrale in Schwierigkeiten. Der erste 10-Wagen-Betrieb hat schon aufgegeben. Andere Mehrwagenbetriebe (z.B. am Winterhuder Weg oder in der Warnstedtstraße) mussten  temporär Wagen stilllegen sowie Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken.

 

Bei einer Umfrage in zwei Hansa-internen Chats bezifferten 120 Teilnehmer ihre derzeitigen Taxi-Stundenumsätze. 58% gaben an, derzeit im Mittel weniger als 20 €/h einzufahren, weitere 30% blieben unter 24 € pro Stunde. Kenner weisen darauf hin, dass bei den recht hohen Kosten für Hansa-Fahrzeuge mindestens 25,- Euro Stundenumsatz notwendig sind, um wenigstens einigermaßen kostendeckend zu arbeiten.

 

Ihre Probleme haben die Hansa-Mitglieder, die sonst gerne die Solidarität im Taxigewerbe und auch in ihrem eigenen Laden beschwören, auf Kosten von Zentralen-Teilnehmern ohne Stimmrecht gemindert. Die 140 Taxis der 311er-Flotte, welche für einen verringerten Monatsbeitrag nur in den Stoßzeiten stundenweise sowie in nachfragestarken Wochenend-Nächsten gleichberechtigt vermittelt wurden (sog. „Untertassen“, wenn die 211er-„Tassen“ der Nachfrage nicht mehr Herr wurden), wurden binnen kürzester Zeit abserviert. Gemäß dem Brecht-Motto: Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Ende Juni, binnen weniger Wochen zwischen Kündigung durch den Hansa-Vorstand und faktischer Beendigung, waren die meisten raus beim Marktführer. Ca. 30 dürfen derzeit noch in den chronisch Hansa-untersorgten Gebieten Harburg, Bergedorf und Poppenbüttel weiterfahren.

 

Ein weiterer Grund für die interne Unruhe bei Hansa sind die deutlichen Differenzen bei den Tourenmengen. Genauer: Die Tourenmengen, die der Vorstand, bestehend aus Thomas Lohse und, nach dem kürzlichen Tod des 1. VS Dirk Schütte, jetzt mit dem neuen 2. VS Murat Öztürk,  verkündete für die in den letzten Jahren eingekauften frühere Zentralen-Konkurrenz „das taxi“ (DT) und der von Günther Möller heruntergewirtschafteten Zentrale am Grindelhof mit den Marken „Taxi Hamburg“ (6×6) und „Taxiruf“ (441011). Für die Kaufsumme von EUR 200.00,- erhielten die Genossen nur 60.000 statt versprochener 200.000 DT-Touren im Jahr. Auch bei den Grindelhofern klafft eine Lücke: Statt zugesicherter einer Million Touren pro Jahr waren es dann 300.000 weniger. Auch die eigene Tourenmenge hat sich als wenig belastbar herausgestellt: Es waren nicht 3,9 Millionen Touren im letzten Jahr, sondern das war die Menge der Anrufe. An Touren waren es eine halbe Million weniger, die vermittelt wurden. Durch die Corona-Einbrüche sind diese Probleme nun noch einmal deutlich größer geworden.

 

Es bleiben Fragen: Wie kann man zuerst mehr als 100 Taxi-Existenzen durch abrupte Kündigungen gefährden mit der Begründung, es seien nicht genug Touren für alle da, und kurze Zeit später überlegen, zusätzliche AT-Fahrzeuge aufzunehmen? Und wieso sind weiterhin Hansa-Beschäftigte im Grindelhof tätig, obwohl eine Konzentration an dem Billstedter Hauptsitz Kosten sparen könnte?

 

Neues Ungemach droht zudem an zwei weiteren Fronten: Zum einen hat der Tourenvermittlungs-Konkurrent FreeNow der Billstedter Zentrale eine Unterlassungserklärung zugesandt. Die ebenfalls in Hamburg angesiedelte Firma will einen Beschluss der Genossenschaft nicht hinnehmen, der den bei der 211er-Flotte angeschlossenen Wagen eine zusätzliche App-Vermittlung bei FreeNow untersagt. Der deutsche FreeNow-Geschäftsführer Alexander Mönch hat dem 1. Hansa-Vorsitzenden Thomas Lohse schon Ende 2019 eine Klage angedroht. Mönch kann darauf verweisen, solche Klagen z.B. in Nürnberg, Bonn, Düsseldorf, Stuttgart und München jedes Mal gewonnen zu haben. Die Richter hielten dort jeweils ein solches Zweitvermittlungsverbot für schlicht wettbewerbswidrig, zumal die Wagen ja gar nicht der genossenschaftlichen Zentrale gehören, sondern eigenständigen Taxen-Unternehmern. Nachdem Hansa die Unterlassungserklärung nicht fristgerecht unterschrieben hat, will FreeNow nun den Klageweg beschreiten. Ergebnis: vorhersehbar. Nicht vorhersehbar ist derzeit, wie sich das zweite Problem für Hansa entwickeln wird: Bei der Hamburger Wirtschaftsbehörde ist ein kartellrechtliches Vorverfahren gegen die mittlerweile einzige hamburgweit vermittelnde Taxizentrale anhängig.

 

Bleibt der Riss in der Genossenschaft samt erfolgreichem Abwahlantrag: Nun ist Ivica Krijan beileibe nicht immer ein Herzensbrecher und ein alle und jeden für sich einnehmender Charmebolzen. Aber er ist zweifelsfrei den meisten Taxlern in mathematischen und statistischen Fragen  deutlich überlegen. Nun können viele Mitmenschen, auch Taxikollegen, schlecht damit umgehen, wenn sie erkennbar an einigen Stellen unterlegen sind. Viele suchen nach Kompensation für das nagende Unterlegenheitsgefühl und werden anfällig für Manipulationen auf der emotionalen Schiene. Das haben sich die Gegner von Krijan taktisch klug zunutze gemacht und immer wieder die stark emotionalisierende „FreeNow“-Karte gegen „IK“ gezogen. Den meisten Genossenschaftsmitgliedern ist die Nutzung der konkurrierenden Taxi-App in Taxis mit Hansa-Beschriftung ein Dorn im Auge. Folgerichtig stimmten 97% der anwesenden Genossenschaftsmitglieder im November des letzten Jahres für das Verbot einer solchen Zweitvermittlung in 211er-Taxis. Schlechte Karten für jemanden wie Krijan, der, im Gegensatz zu anderen, die das nur heimlich machen, offen zu seiner FreeNow-Nutzung steht. Das wird ihm vermutlich die entscheidenden Stimmen gekostet haben, die er für das Verhindern einer 2/3-Mehrheit gebraucht hätte.

 

Trotzdem bleibt festzuhalten: Wie schon bei vergangenen Vorstandswahlen bekommt Krijan roundabout ein Drittel der Stimmen hinter sich (mal ein paar mehr, diesmal ein paar weniger). Offensichtlich kein Grund für die Mehrheit, über eine Integrationsstrategie der vielen Abweichler ernsthaft nachzudenken. Lieber nimmt diese Mehrheit eine dauerhafte Spaltung innerhalb der Genossenschaft in Kauf. Ob das auf Dauer gut geht? Und eine weitere Frage ist die nach der Wirksamkeit der Kontrolle des Vorstandes durch diesen Aufsichtsrat. Wird dort nicht zuviel abgenickt, zuviel laufen gelassen und zuwenig kritisch nachgefragt? Erinnerungen werden wach an den Schwarze-Kassen-Skandal bei Hansa, der die Genossenschaft vor Jahren erschütterte. Auch damals fiel gleich mehreren Vorständen hintereinander niemand auf dem Aufsichtsrat in den Arm und stoppte verhängnisvolle Entwicklungen. Ob aus diesen Erfahrungen Hansa-intern wirklich ernsthafte Konsequenzen gezogen wurden bei den damaligen Beteiligten (die zum Teil personenidentisch sind mit heutigen Funktionsträgern), daran darf nach den Erfahrungen der letzten Zeit Zweifel angemeldet werden.

 

 

Erstveröffentlichung: 2020-08-06

Autor: Clemens Grün

Foto: privat