Anmerkungen und Details zu den Corona-Hilfspaketen (UPDATE)

Der Hamburger Taxiunternehmer Sven Althorn hat sich durch den Dschungel rund um die Corona-Hilfen und -Kredite gearbeitet. Zuerst kommentiert er die das Taxigewerbe betreffende Politik und die daraus resultierende Situation für das Gewerbe, im zweiten Teil listet er die verschiedenen Möglichkeiten auf und gibt Hilfen für den Durchblick. Sven Althorn ist Vorsitzender der Taxizentrale „Taxenanruf Blankenese“. (Ergänzendes UPDATE zum Artikel: 26.02.2021 am Textende)

Das Taxigewerbe ist jetzt bereits seit Monaten im Würgegriff mäßig erfolgreicher staatlicher Versuche, der Corona-Pandemie Herr zu werden. Es ist seit fast einem Jahr kaum noch möglich, als Taxiunternehmer oder -fahrer seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Niemand von uns konnte eine derartige Katastrophe vorhersehen, geschweige denn, den desaströsen Umsatzrückgang aus eigener Kraft positiv beeinflussen.

Die derzeit praktizierte, eher experimentelle Strategie der Pandemiebekämpfung trifft uns mit maximaler Härte, weil bisher fast jede noch so milde Einschränkung stets direkt auf unser Geschäftsfeld zielte. Der „Lockdown light“ im November 2020 hat weitere wesentliche Teile unseres Geschäfts vernichtet. Das stufenweise Anziehen der Daumenschrauben, ohne ein absehbares Ende, ist für unser Gewerbe gleichsam eine mittelalterliche Folter. Unabhängig von der Frage, welche Eindämmungsstrategie man präferiert – es gibt eine große Bandbreite alternativer Ideen, vom zeitlich eng begrenzten Totalstillstand bis zu weitreichenden Lockerungen bei maximalem Schutz der Risikogruppen – sollte eigentlich klar sein, dass man Branchen, die zum Nutzen der Allgemeinheit selektiv ausgeschaltet werden, angemessen entschädigen muss. Denn bisher ist keinesfalls die gesamte Bevölkerung wirtschaftlich gleichermaßen betroffen. Einige Branchen dürften von der Situation sogar profitieren.

Der Wille zu solidarischer Lastenverteilung scheint in Bezug auf das Taxigewerbe jedoch lediglich rudimentär vorhanden zu sein, denn obwohl die staatlichen Maßnahmen unser Geschäft in ähnlichem Maße wie das der per Dekret geschlossenen Betriebe vernichten, gelten wir weder als direkt noch als indirekt betroffen. Während Gaststätten, Hotels etc. und ihre Zulieferbetriebe für Dezember und November als direkt oder indirekt Betroffene trotz reduzierter laufenden Kosten bis zu 75% ihrer Umsätze aus 2019 erhalten und mit Außerhausverkauf somit sogar den vollständigen Referenzumsatz mit dem entsprechenden Gewinn erwirtschaften können, bekommen wir lediglich Teile unserer Fixkosten erstattet. Und auch das nur mit Einzelnachweisen über einen – kostenpflichtigen – Steuerberater. Eine angemessene Gewinnmöglichkeit zum Überleben des Unternehmers billigt man dem Taxigewerbe offenbar nicht zu. Durch die unzureichenden Entschädigungsangebote wird unsere persönliche wirtschaftliche Existenz somit de facto dem Schutz der Allgemeinheit geopfert.

 

Nachdem einige verzweifelte Taxiunternehmer ihre katastrophale Situation der Wirtschaftsbehörde geschildert haben, ließ diese durch die Taxibehörde folgende Botschaft übermitteln:

Dem Hamburger Senat ist bewusst, dass die aktuelle Situation für weite Teile der Wirtschaft mit immensen Herausforderungen verbunden ist. Hierfür haben Bund und Länder gemeinsam umfangreiche Hilfsmaßnahmen ins Leben gerufen. Insbesondere Unternehmen, die nicht von den November- und Dezemberhilfen profitieren können, aber dennoch Umsatzrückgänge von 40 % oder mehr aufweisen, können rückwirkend für die beiden Monate die verbesserte Überbrückungshilfe III beantragen, die u.a. Abschreibungen als Fixkosten anerkennt. Sollten keine Fixkosten geltend gemacht werden (können), ist es möglich, die sogenannte Neustarthilfe für Dezember 2020 bis Juni 2021 zu beantragen. Alle Informationen hierzu finden Sie unter: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Coronavirus/soloselbststaendige-freiberufler-kleine-unternehmen.html .“

Eine Herausforderung definiert der Duden als „Aufgabe, die einen fordert“, Pons Lexikon als „schwierige, aber interessante Aufgabe“. Wer eine solchermaßen euphemistische Diktion für den monatelangen verzweifelten Überlebenskampf einer ganzen Branche verwendet, hat entweder einen ganz schlechten Humor oder keine Vorstellung vom Ausmaß der Katastrophe. In jedem Fall zeigt die Antwort, dass wir nicht mit einer angemessenen Entschädigung für unsere katastrophalen Umsatzeinbrüche rechnen können: Es wird mit keiner einzigen Silbe das ausgebliebene Einkommen erwähnt. Sollen wir doch Grundsicherung beantragen: das untere Aldi-Regal ist für uns schließlich gut genug. Alle Hilfsangebote, die keinen „kalkulatorischen Unternehmerlohn“ berücksichtigen, sind jedoch definitiv inakzeptabel.

 

Gleichwohl müssen wir die spartanischen Hilfsangebote möglichst umfassend ausschöpfen. Ich finde die Hilfsmaßnahmen recht verwirrend, habe aber versucht, durch das Dickicht zu gelangen und bemühe mich deshalb im Folgenden, die Angebote, die für uns infrage kommen, grob zusammenzufassen. Als Nichtfachmann natürlich ohne jede Gewährleistung.

Leider werden die Überbrückungshilfen offenbar im Tagesrhythmus geändert, deshalb hier der Stand vom 18.02.2021.

 

Überbrückungshilfe II:

Kann noch bis 31.03.2021 durch Steuerberater beantragt werden.

Zeitraum: 09 – 12/2020

Voraussetzung: Mindestens 50% Umsatzrückgang an zwei aufeinanderfolgenden Monaten zwischen April und August oder 30 % im selben Zeitraum. Immer im Vergleich zum Referenzzeitraum 2019.

Was es gibt: Fixkosten, das heißt Funkbeitrag, Versicherung, Zinsen, Steuerberaterkosten (auch Kosten des Antrages) etc. Zusätzlich Lohnkostenpauschale (sofern Personalkosten vorhanden und nicht alle Mitarbeiter voll in Kurzarbeit sind) in Höhe von 20% der geförderten Fixkosten. Allerdings alles nicht vollständig: Wenn der Umsatz mehr als 70% eingebrochen ist, gibt es 90%, bei 50% bis 70% weniger Umsatz gibt es 60% der Fixkosten und zwischen 30% und 50% nur noch 40%. Verglichen werden einzelne Monate mit dem Referenzmonat 2019.

Was es nicht gibt: Die Rate oder die Abschreibung für die Taxe zählen ebenso wenig zu den erstattungsfähigen Kosten, wie die Krankenversicherung oder sonstige private Kosten. Unternehmerlohn ist in Hamburg nicht vorgesehen.

 

Überbrückungshilfe III:

Kann bis Juni 2021 durch Steuerberater beantragt werden.

Zeitraum: November 2020 bis Juni 2021 auch für Monate ohne Schließungen.

Voraussetzung: Im betreffenden Monat min. 30% Umsatzrückgang im Vergleich zum Referenzmonat 2019

Was es gibt: Wie Überbrückungshilfe II zuzüglich 50% der Abschreibungen.

Was es nicht gibt: Rate der Taxe (jedoch die Hälfte deren Abschreibung), keine privaten Kosten (wie bspw. Krankenversicherung), keinen Unternehmerlohn.

 

Neustarthilfe für Soloselbständige:

Kann ohne Steuerberater beantragt werden!

Zeitraum: Januar 2021 bis Juni 2021

Voraussetzungen: Gilt auch für selbstfahrende Taxiunternehmer, die weniger als einen Vollzeitangestellten beschäftigt haben (Aushilfe geht also). Es darf Überbrückungshilfe II kassiert worden sein, jedoch keine Überbrückungshilfe III.

Was es gibt: Pauschal 50% vom Referenzzeitraum 2019 (Umsatz 2019 / 12 * 6 Monate) maximal jedoch EUR 7.500,-. Diesen Betrag sollte also jeder von uns, der 2019 mindestens EUR 30.000,- umgesetzt hat, erhalten. Der Betrag wird als Vorschuss ausgezahlt.

Die Neustarthilfe muss anteilig bis 30.06.2022 zurückerstattet werden (Endabrechnung bis Ende 2021), wenn – wider Erwarten – im Vergleich zum Referenzzeitraum mehr als 90% des Umsatzes inklusive der Neustarthilfe erwirtschaftet wird. Das heißt, erst wenn man im ersten Halbjahr 2021 mit den EUR 7500,- mehr als 90% des halben 2019er Umsatz erwirtschaftet hat, zahlt man den darüber hinaus gehenden Betrag zurück. In jedem Fall ist es mindestens ein zinsloser Kredit bis Mitte 2022.

Was es nicht gibt: Nimmt man diese Form der Hilfe in Anspruch, gibt es keine weiteren Zahlungen aus der Überbrückungshilfe III.

Antragstellung: Die Antragstellung ist denkbar einfach. Die Neustarthilfe wird über den ELSTER Zugang des Finanzamtes mit der persönlichen Zertifikatsdatei legitimiert und nachfolgend über ein überschaubares Formular des Bundeswirtschaftsministeriums beantragt. Man muss außer einigen persönlichen Daten, wie Steuer-ID und Finanzamt lediglich den Nettoumsatz aus 2019 eintragen und das Formular absenden.Antragslink: https://direktantrag.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de/ .

Wer kein ELSTER Zertifikat hat, kann das einfach bei seinem Finanzamt beantragen.

Die Neustarthilfe ist möglicherweise für uns der einfachste, schnellste und lukrativste Weg um an öffentliche Gelder zu gelangen. Es sollte aber jeder aufgrund seiner spezifischen Betriebsparameter berechnen, welche Möglichkeit für ihn am günstigsten ist. Auf Grundsicherung wird die Neustarthilfe nicht angerechnet. Wenn Euer Steuerberater bereits Überbrückungshilfe III beantragt hat, bekommt Ihr keine Neustarthilfe.

 

KFW-Kredite:

Eine weitere Möglichkeit die Krise zu überbrücken, ist die Beantragung von KFW Krediten. Diese langfristigen, zinsgünstigen Corona-Sonderkredite stehen jedem von uns zu. Deshalb sollte man sie unbedingt verhaften, denn man weiß nicht, wie sich die Situation entwickelt. Und man wird ja nicht zum Ausgeben gezwungen. Die beiden nachfolgenden Kredite sind alternativ, je nachdem, wie die Hausbank die Kreditwürdigkeit einschätzt. Man kann sie zusätzlich zu den Überbrückungshilfen bekommen.

 

1. Corona Schnellkredit:

100% KFW Haftung.

Muss über die Hausbank beantragt werden. Diese prüft nur auf Plausibilität und hat kein Entscheidungsrecht.

Voraussetzung: Jeder Betrieb, der mindestens ab 01.01.2019 existiert und entweder 2019 oder akkumuliert 2017-2019 einen Gewinn erwirtschaftet hat. Also: Jeder Taxibetrieb hat ein Recht, diesen Kredit zu erhalten.

Was es gibt: bis zu 25% des Umsatzes aus 2019.

Bedingungen: Zinsen 3%, Laufzeit bis 10 Jahre, bis 2 Jahre Tilgungsfreiheit.

Was Ihr benötigt: Es sind keinerlei Sicherheiten erforderlich. Erforderliche Unterlagen: Einnahme- / Überschussrechnung für 2017,2018, 2019 und SuSa-Liste für 2019.

 

ODER

 

2. Corona Unternehmerkreditkredit:

90% KFW Haftung:

Muss über die Hausbank beantragt werden. Diese prüft auf Plausibilität und entscheidet über die Voraussetzungen, unter denen sie haftet. Insofern könnte sie auch weitere Prüfungen und Sicherheiten verlangen.

Voraussetzung: Jeder Betrieb, der mindestens 5 Jahre existiert und entweder 2019 oder akkumuliert 2017-2019 einen Gewinn erwirtschaftet hat. Jüngere Firmen bekommen einen sog. ERP – Gründerkredit unter gleichen Bedingungen. Ob ein Taxibetrieb diesen Kredit erhält, entscheidet die Hausbank.

Was es gibt: 25% des Umsatzes aus 2019.

Bedingungen: Zinsen i. d. R. 1,25%, Laufzeit bis 10 Jahre, bis 2 Jahre Tilgungsfreiheit.

Was Ihr benötigt: Sicherheiten nach Gusto der Bank. Erforderliche Unterlagen: Einnahme- / Überschussrechnung für 2017,2018, 2019 und SuSa-Liste 2019. Auf Wunsch der Hausbank weitere Unterlagen.

 

Grundsicherung für Selbständige:

Eine weitere Möglichkeit, nicht in die Pleite zu rauschen, ist die derzeit vereinfachte Möglichkeit, Grundsicherung zu beantragen. Details findet Ihr hier: https://www.arbeitsagentur.de/corona-faq-grundsicherung-arbeitslosengeld-2 . Service-Hotline: 0800-4555521. Von der Bezeichnung „Vereinfachte Antragstellung“ sollte man sich nicht täuschen lassen!

 

UPDATE – Änderungen und Hinweise:

Es haben sich kurzfristig einige gravierende Änderungen (Ende Februar 2021) ergeben. Die Wichtigste ist, dass die Neustarthilfe jetzt nur für das erste Halbjahr 2021 gilt und zusätzlich zur Überbrückungshilfe II beantragt werden kann. Da auch die Antragsfrist verlängert wurde, können Soloselbständige auch zusätzlich zu den EUR 7500,- über ihren Steuerberater bis Ende März noch die Hilfen für 2020 beantragen.

Darüber hinaus wurden die Zugangsbedingungen für die Überbrückungshilfe II vereinfacht.

Die Hamburger Taxiverbände fand ich im Zusammenhang mit der größten Krise des Taxigewerbes seit Jahrzehnten bisher nicht übermäßig hilfreich. Ich habe deshalb versucht, die „Hilfsangebote“ knapp und übersichtlich so zusammenzufassen, wie ich sie verstanden habe. Eine Garantie für die Richtigkeit übernehme ich natürlich nicht.

 

 

Autor: Sven Althorn

Grafik: Clker-Free-Vector-Images/Pixabay

Erstveröffentlichung: 23.02.2021