FFTD: Ist das Taxi-App-Projekt doch noch zu retten?

 

Am morgigen Samstag sollen die Mitglieder des Taxiverbandes FFTD über die Zukunft oder Auflösung entscheiden (TAXI-MAGAZIN.DE berichtet). Jetzt sieht es für das zentrale FFTD-Projekt einer gewerbeeigenen Taxi-App rosiger aus als von vielen erwartet. Haben das Projekt und seine tragenden Säulen Verband und Genossenschaft doch noch eine Zukunft?

 

Im letzten Jahr wurden von Taxlern aus mehreren Städten Deutschlands der FFTD-Verband gegründet, später noch eine gleichnamige Genossenschaft. Ziel der Gründungen war die Schaffung, Etablierung sowie das Betreiben einer klassischen Taxi-Bestell-App. Mit der Eigen-Initiative sollte Konzernen wie FreeNow und Uber, die erkennbar das Taxigewerbe dominieren wollen, etwas selbstverwaltetes entgegen gesetzt werden, ohne sich dafür in teure Abhängigkeiten von Software-Firmen wie FMS, dem größten Software-Ausstatter für Taxizentralen in Europa, begeben zu müssen.

 

Doch das mit viel Enthusiasmus gestartete Projekt kam schnell an seine Grenzen: Vorschnell veröffentlichte App-Versionen wiesen große Unzulänglichkeiten auf,  und manche FFTD-Symphatisanten kritisierten, dass von vielen mehr diskutiert als praktisch gearbeitet würde. Dazu kam die gewerbetypische Uneinigkeit: Entweder wurde jemandem mit Ausschluss gedroht oder schmissen Mitmacher ihre Vorstandsposten oder anderen übernommen Funktionen schon nach Wochen wieder hin. Zwar gab es vereinzelt rühmliche Ausnahmen, aber die konnten das Hauptproblem auch nicht lösen: Der Mangel an einer stabilen Taxi-App, die auf Augenhöhe mit denen der Konkurrenten war.

 

Das Projekt rutschte schon vor Corona in die Krise

Hinzu kam eine beklagenswerte Außen-Kommunikation. Mitglieder und Interessenten erfuhren wochen- und monatelang nichts über die Zusammenhänge, warum sich die Herstellung der Software immer weiter verzögerte. Zwar war mit 72 bezahlten Genossenschaftsanteilen à 500 Euro eine erste Duftmarke gesetzt worden, aber für eine zügige Programmierung reichte das nicht. Die Programmierfirma M-Tribes hatte mit einer höheren FFTD-Zahlung als den dann überwiesenen EUR 20.000,-  kalkuliert, also schoben sie zwecks Eigenfinanzierung immer wieder andere Projekte dazwischen. Das führte spätestens Anfang des Jahres zu Frust und innerer Abwendung bei vielen FFTDlern. Als im März dann die Corona-bedingte Wirtschaftskrise einsetzte und auch im Taxigewerbe dramatische Einbrüche verzeichnet wurden, brach das schon vorher instabile Projekt-Konstrukt komplett in sich zusammen. Der Software-Vertrag zwischen FFTD-Verband und M-Tribes wurde im gegenseitigen Einvernehmen aufgelöst. Die Funktionäre einschließlich des Vorsitzenden beider FFTD-Säulen Orhan Tasbilek verkündeten fast schon im Stundentakt ihren Rücktritt. Mit letzter Kraft wurden für Genossenschaft und Verband für den morgigen 5. September Mitgliederversammlungen in die Hamburger City-Nord einberufen, auf der Tagesordnung steht auch die „Auflösung der Genossenschaft“.

 

Die Software-Entwicklung lief unbemerkt weiter

Unbemerkt von den letzten am Taxi-App-Projekten Interessierten programmierte M-Tribes aber auch nach Auflösung des Software-Vertrages weiter an den den Apps und an den dafür notwendigen Server- und Web-Anwendungen. Das liegt daran, dass die Firma ganz unterschiedliche Kunden anspricht. Auch für Kurierdienste, Essensauslieferer und anderer Transport-Anbieter wird dort mit bis zu zwanzig Programmierern an Projekten gearbeitet. Einer Software ist es egal, ab mit ihren Funktionen der Transport einer Pizza, eines Möbelstücks oder eines Taxikunden verwaltet wird.

 

Der Autor dieses Artikels hatte in dieser Woche die Gelegenheit, bei M-Tribes die neuste Version auch der Taxi-Lösung vorgeführt zu bekommen. Zahlreiche Unzulänglichkeiten der im letzten Jahr veröffentlichten  App-Versionen sind mittlerweile behoben, neue Funktionen hinzu gekommen. Das Ganze wirkt nur noch wenige Monate entfernt von einer Lösung à la mytaxi, als mit dieser Software nur Taxis vermittelt wurden. Und das Ganze, ohne dass der FFTD für die Weiterentwicklung einen müden Euro bezahlt hat.

 

Aus den Reihen der letzten FFTD-Funktionäre heißt es, dass der FFTD nicht überschuldet sei. Durch die Einstellung des Bürobetriebes und schließlich die Aufgabe der Büroräumlichkeiten wurden die laufenden Kosten auf nahe null gefahren. Die Software fast fertig, der FFTD nicht überschuldet – beste Voraussetzungen für einen Neustart. Da Tasbilek seinen Weggang aus dem Taxigewerbe verkündet hat, notwendigerweise mit neuen Gesichtern. Neue Engagierte werden gebraucht. „FFTD reloaded“ scherzte vor ein paar Tagen ein Kollege.

 

FFTD reloaded?

Der Autor wird zu der Genossenschaftsversammlung morgen hingehen und berichten, was er bei der Software-Vorführung gesehen und erfahren hat. Und den Vorschlag machen, einem neuen Vorstand ca. 3 Monate Zeit zu geben, um alle rechtlichen, finanziellen und planerischen Fragen zu klären. Idealerweise würde auf einer erneuten Mitgliederversammlung Anfang 2021 eine komplette Neuplanung vorgelegt, die am Tage ihrer Annahme sofort umgesetzt werden könnte. Um doch noch den FreeNows und Ubers dieser Welt ein klares, aber diesmal ausgereiftes und funktionierendes Contra geben zu können. Kleiner Nebeneffekt: Die eingezahlten Genossenschaftsanteile blieben erhalten, keiner würde seinen Anteil verlieren. Im Falle einer Genossenschafts-Auflösung wäre alles auf einen Schlag weg.

 

 

Link: FFTDeG Einladung zur MV 2020-09-05 vom 2020-07-15

 

 

Autor: Clemens Grün

Grafik: Mashiro Momo/Pixabay

Erstveröffentlichung: 4. September 2020