Mitgliederversammlung beim LHT: Erdogan stürzt Aktas

Der neugewählte LHT-Vorstand

Der neu gewählte LHT-Vorstand: Arif Aksoy, Ilona Hübner, Michael Erdogan (1. VS), Ali Cem Köylüce (2. VS), Taner Issever (v.l.n.r)

Bülent Aktas, Hamburgs größter Taxiunternehmer und erst seit einem Jahr Vorsitzender des LHT: abgewählt. Sein Vorgänger Michael Erdogan, Besitzer eines Taxis und Inhaber Dutzender Mietwagen-Konzessionen: wieder LHT-Chef. Das ist das Ergebnis der außerordentlichen Mitgliederversammlung des traditionsreichen „Landesverbandes Hamburger Taxiunternehmer“ am letzten Freitag. Der größte zentralenunabhängige Verband im Hamburger Taxigewerbe war so kurzfristig einberufen worden, dass der im Auslands-Urlaub weilende Aktas sich davon überrumpelt fühlte, auch wenn formal die satzungsmäßigen Fristen haarscharf eingehalten wurden. Das von Erdogan ausgerufene Ziel eines Zusammenschlusses mit der Taxen-Union wird von seinem Konkurrenten Aktas geteilt.

 

Die Vorwürfe der Erdogan-Unterstützer wiegen schwer: Der im Mai 2019 gewählte LHT-Vorstand und sein Vorsitzender Aktas hätten den Verband in finanzielle Schieflage gebracht, die Büro-Miete sei seit Monaten nicht mehr bezahlt worden, der Vermieter der Räumlichkeiten in der Süderstraße hätte schon Klage vor Gericht erhoben. Aktas hätte nach seiner Wahl im Mai 2019 monatelang seine Aufgaben schleifen lassen, schlimmer noch: Er habe sogar Vereinsgeld privat eingesteckt, ein aktuelles Kassenbuch würde nicht geführt. Und Aktas habe für die Miete dringend benötigtes Geld dem Verein und dem ebenfalls kontoberechtigten 2. Vorsitzenden entzogen und auf einem fremden Konto geparkt.

Aktas kontert: Der 2. Vorsitzende Ali Cem Köylüce habe sich jüngst erst mehrere Beträge aus dem LHT-Guthaben, insgesamt etwas mehr als 1.000 Euro, selbst überwiesen, deshalb war der Schutz von 9.200 Euro auf einem anderen Konto „treuhänderisch“ während seines Urlaubs notwendig gewesen. Und Aktas legte nach: Der erste und der zweite Vorsitzende, Erdogan und Köylüce, hätten über Jahre auch Familienangehörige aus der LHT-Kasse entlohnt. Weiter seien die Büroräumlichkeiten seit Jahrzehnten nicht renoviert, dafür aber verräuchert worden. Ein Zustand, der durch eine jüngste Renovierung unter seiner Leitung endlich abgestellt wurde. Allerdings: Renovierungen und neue Möbel in Zeiten, in denen kein Geld für die Miete da ist?

 

Besonders energisch warfen sich Erdogan und Aktas gegenseitig ihre Mietwagen-Pläne und -Genehmigungen vor. Fakt ist, dass Erdogan schon seit Jahren ein bis zwei Handvoll Mietwagen in Hamburg betreibt für Firmenkunden wie die Fluglinie Emirates. Er versichert aber, für die Tourenvermittlung weder auf FreeNow und schon gar nicht auf Uber zurückgegriffen zu haben. Aktas wirft Erdogan vor, zusätzlich zu der überschaubaren Menge Mietwagen in Hamburg sich die Genehmigung für weitere 80 in Norderstedt besorgt zu haben. Das stimme, bestätigt Erdogan, die habe er sich vorsorglich für eine Emirates-Ausschreibung geholt, aber es sei bisher kein einziges solcher Fahrzeuge auf der Straße. Im Übrigen seien die notwendigen Stellplätze in Norderstedt erheblich günstiger, und für den angestrebten Zweck die Lage in Flughafen-Nähe sinnvoll. Er lehne aber taxiähnliche Verkehre mit Mietwagen strikt ab und mache so etwas nicht.

 

Und dann schießt Erdogan zurück: Bülent Aktas hätte sich 100 Mietwagen in Hamburg besorgen sowie Verträge mit Uber und FreeNow abschließen wollen. Bei seinen 60 Taxis würde er mit diesen Firmen schon zusammenarbeiten, auf den Taxis klebe sogar Uber-Werbung. Die taxiähnlichen Verkehre von Aktas seien nur durch die Hamburger Genehmigungsbehörde gescheitert, die solche taxiähnlichen Mietwagen-Angebote in der Hansestadt nicht hinnehmen wollte.

 

Aktas hat eine weitere Kampfzone eröffnet. Es geht um die Terminierung und die Umstände der kurzfristig einberufenen außerordentlichen Mitgliederversammlung (MV) während seines Urlaubs. Zwar wurden, das hat der langjährige Rechtsanwalt des LHT, der bekannte Verkehrs- und Taxler-Anwalt Matthias Oehler auf der MV den Anwesenden erklärt, die satzungsmäßigen Fristen eingehalten. Aber es bleibt mehr als nur ein schaler Beigeschmack, dass die Versammlung mitten in den Urlaub des mit einem Abwahlantrag bedrohten 1. Vorsitzenden gelegt wurde – vom 2. Vorsitzenden. Das Angebot von Aktas, vier oder fünf Tage später, also nach seiner geplanten Rückkehr, die Versammlung abzuhalten, fand keine Gnade im Erdogan-Lager. Ob da ein angerufenes Gericht auch nur starr auf die Mindest-Satzungsfristen gucken wird, ohne die Gesamtumstände zu würdigen? Es bleibt abzuwarten. Andererseits: Warum mobilisierte Aktas nicht aus der Ferne einige seiner Getreuen, um die hohen Satzungs-Hürden für eine vorzeitige Abwahl zu nutzen? Auf der Mitgleiderversammlung war kein einziger Aktas-Anhänger erschienen.

 

Bei diesen Auseinandersetzungen, ja: Gräben im LHT ist es überraschend, dass die beiden Kontrahenten zumindest ein gewerbepolitisches Ziel teilen: Beide möchten, dass LHT und die beim Hansa-Funk residierende Taxen-Union künftig zusammengehen und verschmelzen sollen. Christian Brüggmann, Vorsitzender der Taxen-Union und auch Mitglied im erweiterten Vorstand des Taxi-Bundesverbandes, hätte sicherlich nichts gegen weitere zahlende Mitglieder  in seinen Reihen. Die beim LHT geäußerte Idee einer gemeinsamen Neugründung erzeugt bei Brüggmann aber keine große Begeisterung. Beim Nachrechnen wird er sicherlich darauf kommen, dass die (nach TAXI-MAGAZIN-Recherche) 180 zahlenden LHT-Mitglieder derzeit nicht einmal die laufende Miete aufbringen können. Zwar gibt es auch Einnahmen aus Untervermietungen und Anzeigenverkauf des LHT-Magazins. Aber die wichtige Säule der Schulungen für P-Schein-Prüfungen und Vorbereitungen für die Unternehmer-Prüfungen bei der Handelskammer waren schon vor der Corona-Pandemie spärlicher geworden und sind nun gänzlich weggebrochen – und Änderung der misslichen Lage ist nicht in Sicht.

 

 

Erstveröffentlichung: 06. August 2020

Autor: Clemens Grün

Fotos: privat