HANSA: Angeklagte belasten Aufsichtsrats-Vorsitzenden schwer

Als am 16. März 2011 der Vorsitzende Richter Dr. Steinmann den Prozess gegen drei ehemalige Hansa-Vorständler schon einmal eröffnet hatte (TAXI-MAGAZIN.DE berichtete), hoffte er, das Verfahren schnell abschliessen zu können. Die Angeklagten, neben den drei ehemaligen Hansa-Schwergewichten Kruse, Huck und Gieselmann auch zwei "Helfer", hatten wegen der "Schwarzen Kassen" bei Hamburgs Vorzeige-Zentrale schon in einem Steuerverfahren beim Finanzamt umfänglich ausgesagt und waren mit milden Strafbefehlen davon gekommen. In dem jetzt wegen des Tatvorwurfs "Untreue" aufgerollten Strafverfahrens hätte es nur der Wiederholung der schon gemachten Aussagen bedurft, um dieses Verfahren nach einem Tag mit (vermutlichen ebenfalls milden) Bewährungsstrafen abschließen zu können.

 

Doch die Angeklagten wollten "nicht zum zweiten Mal für die gleiche Sache" (Kruse) verurteilt werden. Also muss Ihnen die von Staatsanwältin Meesenburg vertretene Anklage jeden der nunmehr 190 Einzelfälle aus den Jahren 2004 bis 2009 beweisen, wozu es zahlreicher Zeugenaussagen und ggf. die Einlassungen der Angeklagten bedarf.

Bevor es zu den Befragungen von Angeklagten und Zeugen kam, versuchten die Anwälte erneut, sämtliche aktuellen und ehemaligen Mitglieder der Hansa-Genossenschaft von der Teilnahme als Zuschauer ausschließen zu lassen, seien diese doch "potentielle Zeugen". Doch diesmal befand das Gericht zumindest jene Prozessbeobachter, die vor den angeklagten Taten ab 2004 Genossenschafts-Mitglieder waren und es aktuell nicht mehr sind, nicht als ausschlusswürdig. Ehemalige "Genossen" wie Jörn Napp, notorischer Betreiber eines Taxi-Internetforums, durften nunmehr auf den Zuschauerstühlen verbleiben.

Der erneute Prozess-Beginn wurde überschattet von der Nachricht, dass der "Helfer" Herbert M., durch dessen Selbstanzeige die Verfahren um Hansas "Schwarzen Kassen" überhaupt erst ins Rollen kam, in der Nacht vor dem 1. Verhandlungstag nach schwerer Krankheit verstorben war.

Die verbliebenen vier Angeklagten machten dieses Mal Angaben zu den Tatwürfen und räumten sämtliche Vorwürfe um die Bildung und Nutzung von "Schwarzen Kassen" ein. Auf "weißen Zetteln" wurden von einigen Taxi-Unternehmern für erfundene Tätigkeiten z.B. in der Zentrale oder als Einweiser an Hauptbahnhof und Flughafen Beträge zumeist im dreisteligen Bereich in Rechnung gestellt. Die draufgeschlagene Mehrwertsteuer durften die beteiligten Taxiunternehmer selbst behalten, der große Netto-Rest wurde zum Vorstand gebracht, der damit nach eigenen Angaben z.B. Putzkräfte und andere Schwarzarbeiter bezahlte.

 

 

Die Angeklagten erregen sich über den Vorwurf der "Untreue"

Das juristische Problem, dass die Angeklagten trotz Steuer- und Sozialabgaben-Nachzahlungen durch die Genossenschaft jetzt haben, hatte der Vorsitzende Richter schon Mitte März umrissen: Alleine die Bildung von "Schwarzen Kassen" erfüllt nach "Höchstrichterlicher Rechtsprechung" den Tatbestand der "Untreue" – völlig unabhängig davon, ob die "schwarz" angesammelten Gelder ausschließlich für Firmenzwecke ausgegeben wurden oder es zu persönlichen Entnahmen durch Vorständler gekommen sein sollte. Diese Definition von "Untreue" wurde vom Bundesgrichtshof sowohl bei Verfahren gegen hessische CDU-Politiker (Kanther u.a.) als auch Siemens-Vorstände festgezurrt. Trotzdem zog sich die Errregung von Angeklagten, man wollen ihnen die persönliche Veruntreuung genossenschaftlicher Gelder unterstellen, durch den ganzen Verhandlungstag am letzten Mittwoch 29.6.2011 . Gieselmann beteuerte, er "habe noch nie jemanden betrogen", und Kruse brachte "der Vorwurf der Bereicherung" so stark auf, dass er um eine Verhandlungsunterbrechung bat, um seine hochkochende Erregung wieder in den Griff zu bekommen.

Auch wenn die Staatsanwältin mit ihrem "Untreue"-Vorwurf auf die Bildung der "Schwarzen Kassen" abzielt, deren Einnahmen und Ausgaben naturgemäß dem höchsten Beschluss-und Kontollgremium, der Generalversammlung der Genossenschaft, vorenthalten wurden und schon deshalb den "Untreue"-Vorwurf rechtfertige, so ließ sie bei einer Frage an den Angeklagten Kruse auch erkennen, dass sie die Frage nach möglicher persönlicher Bereicherung nicht für erledigt hält: Wie es denn komme, dass seine, Kruses, zweite Aufstellung für das Finanzamt über die Verwendung der "Schwarzen Kassen" exakt der damaligen Summe der Steuerfahndung enstprach, von der sich dann dummerweise herausstellte, dass diese Summe nachträglich etwas nach unten korrigiert werden musste? Meint: Wenn die angeblichen Ausgaben aus der "Schwarzen Kasse" höher waren als die belegten Einnahmen, wie hoch waren die "Schwarzen Kassen" dann tatsächlich? Und wenn sie höher waren als jetzt angeklagt: Wo ist das restliche Geld geblieben?

 

 

 

Der Aufsichtsrats-Vorsitzende kontrollierte die "Schwarzen Kassen" und das Schreddern der Unterlagen

Am bemerkenswertesten waren allerdings die einvernehmlichen Aussagen von Huck, Gieselmann und Kruse zum Thema "Kontrolle der „Schwarzen Kassen“ durch die Aufsichtsräte". Nach den Angaben der Angeklagten gab es für die "Schwarzen Kassen" eine geordnete Buchführung für die unregelmäßigen, auch unangemeldeten Kontrollen der Vorstände durch die Aufsichtsräte. Die Aufsichtsräte prüften nicht nur technischen Abläufe in der Zentrale sowie die ordnungsgemäßen Geschäfte des Vorstandes, sondern auch die "Schwarzen Kassen", und zwar seit ihrer Einrichtung durch das "ausgekochte Schlitzohr" (Gieselmann) Erich Kolbeck sen. Mitte der 80er Jahre. Dabei wurde die Prüfung der "Schwarzen Kassen" "immer durch den Aufsichtsrats-Vorsitzenden und eine weitere Person, meistens der Stellvertreter" (Kruse) durchgeführt. Nach der Prüfung wurde die Buchführung der "Schwarzen Kassen" im Beisein der vorher kontrollierenden Aufsichtsratsmitglieder "geschreddert", es sollte verhindert werden, dass belastende Unterlagen in den Händen einzelner Genossenschaftsmitglieder verblieben.

Das System der "Schwarzen Kassen" war zuerst einem Betriebsprüfer des Finanzamtes aufgefallen, dessen Kontrollmitteilungen zu einer Razzia der Hamburger Steuerfahndung am 1. Juli 2008 mit insgesamt 70 Beamten in den Räumlichkeiten der Hansa-Genossenschaft, aber z.B. auch des Hansa-Rechtsanwaltes und -Steuerberaters Dr. Hehnning Selk (69) führte. Insgesamt 150 Leitz-Ordner beschlagnahmte die Steuerfahndung damals. Als das Finanzamt nach Sichtung dieser Unterlagen eine Steuerprüfung bei Herbert M., einem jener Scheinrechnungen schreibenden und dafür die dortige Mehrwertsteuer kassierenden Hansa-Taxiunternehmer,  ankündigte, machte der in einer Selbstanzeige reinen Tisch – das heutige Gerichts-Verfahren nahm seinen Lauf. Diese "Schwarze Kassen" wurden nach den Einlassungen der Angeklagten mit Wissen und Billigung nahezu sämtlicher Aufsichtsrats-Mitglieder und weiter Teile der Genossenschaft seit den 80er Jahren geführt. Aus diesen Kreisen kommen nahezu sämtlichen Personen der aktuellen Hansa-Führung. Im Falle des 1. Vorsitzenden des Aufsichtsrates Thomas Hofschulte fallen seine Amtszeit seit 2006 bis heute in den Zeitraum der jetzt angeklagten Fälle, auch ihm und anderen Aufsichtsratsmitgliedern, aktuelle und ehemalige, drohen entsprechende Strafverfahren. Diese Gefahr besteht auch für den derzeitigen Vorstands-Vorsitzenden Dirk Schütte, als SAS-Chef einst als "das moralische Gewissen" der Genossenschaft gepriesen. Schütte, so führte Dr. Selk bei seiner Zeugenbefragung am letzten Mittwoch aus, sah sich in dieser Sache schon zu einer zweiten Selbstanzeige genötigt.

 

Die heutigen und kommenden Zeugenaussagen dieser und anderer Hansa-Größen dürfen mit Spannung erwartet werden.

 

Die nächsten Gerichtstermine: Mi 6.7., Fr. 8.7. und Mi. 13.7. 2011 im "Haus der Gerichte", Lübeckertordamm 4, jeweils ab 9.00 Uhr im Saal 1/01

 

Autor + Foto: Clemens Grün

 

Erstveröffentlichung: 6. Juli 2011

 

 

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