Vor Taximesse 2016: BZP-Chef Müller drohte mit Rücktritt
Vordergründig lief es bei der diesjährigen „Europäischen Taximesse“ (4. und 5.11. in Köln) wie immer: Auto- und Taxameter-Hersteller zeigten ihre neuesten Modelle, Softwarefirmen mit speziell auf das Taxigewerbe zugeschnittenen Offerten ihre neu programmierten Features. Große Themen wie Dieselgate wurden bei den marktführenden deutschen Taxi-Herstellern weggeschwiegen, nur einige asiatische Firmen mit Hybrid-Taxis wie Toyota und Mitsubishi hatten praktische Antworten auf das politische Megathema der städtischen Luftbelastungen. Zahlreiche Dienstleister rund um das Taxigewerbe, von Versicherungen bis zu Firmen, die Taxis für die Rollstuhl-Beförderung umbauen, ergänzten das gewohnte Bild. Andere Themen, die die gesellschaftliche Relevanz des Verkehrsmittels Taxi betrafen, waren dagegen rar gesäht, der Stand „Inklusionstaxi“ des „Sozialverbandes Deutschland, Landesverband Berlin-Brandenburg e.V.“ (SoVD) eine rühmliche Ausnahme. Und wie bei vorherigen Taximessen tagten im Vorfeld die Mitglieder des Dachverbandes BZP und fand parallel das Taxi-Forum der IRU (Weltdachverband der Straßentransportwirtschaft) statt.
Doch hinter den Kulissen rumorte es im Bundesverband des Taxi- und Mietwagengewerbes BZP gewaltig. Ausgang des Streits war der Vorwurf aus zumeist südlichen Verbands-Kreisen, der aus Niedersachsen stammende BZP-Chef Michael Müller würde gegenüber dem Vermittlungs-Konkurrenten mytaxi zu offen, zu wenig ausgrenzend agieren. Zwar hatte der Hamburger App-Vermittler auch bei der diesjährigen Taximesse einen großen und gut besuchten Messestand, der mittlerweile zum Daimler-Konzern gehörende Tourenvermittler wird aber von Teilen der Branche weiterhin als Paria betrachtet.
Müller selbst ist innerhalb des Bundesverbandes zu den vorausschauenden Funktionären zu zählen. Selbst BZP-Kritiker bescheinigen dem Chef-Lobbyisten des deutschen Taxigewerbes, seinen Verband in den letzten Jahren auf zahlreiche gesellschaftliche Entwicklungen, vom Mindestlohn über verkehrspolitische Fragen bis zur Uber-Herausforderung, klug eingeschwenkt zu haben.
Die Kritik an Müller entzündete sich an der BZP-Veranstaltung „Parlamentarischer Abend“ am 19. Oktober in Berlin, zu der der Verband Dutzende Parlamentarier und andere Entscheidungsträger eingeladen hatte. Zu dieser offen beworbenen Veranstaltung bestellte sich per Internet auch Alexander Mönch, als mytaxi-Vertriebschef einer der bekannten Gesichter des Zentralen-Konkurrenten aus Hamburg, eine Eintritts-Karte für die Veranstaltung. Sein Erscheinen stieß vielen BZPlern, nicht nur aus der Betonfraktion, übel auf. Als der Gastredner Martin Burkert, der Vorsitzende des Bundestags-Verkehrsausschusses mit SPD-Parteibuch, als positives Beispiel der Modernisierung des Taxigewerbes ausgerechnet mytaxi-Features wie die Fahrerbewertung erwähnte, war einigen anwesenden Zentralen-Vertretern der Abend gründlich verleidet worden.
Die beim BZP-Treffen am Donnerstag letzter Woche aufbrechende Kritik an Müller kam mit einer derartigen Wucht, dass der BZP-Chef schließlich die Vertrauensfrage stellte. So weit wollten die Kritiker die Eskalation nicht treiben, Müller wurde einmütig als Verbandschef bestätigt. Am nächsten Tag schlug er bei der Eröffnungsrede für die Taximesse umso heftiger auf die appbasierte Zentralen-Konkurrenz aus Hamburg ein. Überzeugender als diese verbale Beruhigungspille für seine internen Kritiker bleibt aber die Müllersche Maxime, lieber mit dem vor einem stehenden Gegner zu reden als diesen unbeobachtet hinter sich zu wissen. Doch BZP-Mitglieder wie die Taxigenossenschaften aus Frankfurt, München und Köln haben sich tief eingebuddelt in ihren Schützengräben, um gegen die laufenden Umwälzungen bei der Tourenvermittlung zu kämpfen. Bis dieser BZP zur notwendigen Differenzierung zwischen Taxi-Vermittlern wie mytaxi einerseits und Taxi-Zerstörern wie Uber in der Lage sein wird, bedarf es besonders bei denen, die jetzt auf den BZP-Chef eingeprügelt haben, noch einige Lektionen zur Realitäts-Ertüchtigung. Man muss nicht Gorbatschows Hinweis auf Zu-Spät-Kommer bemühen, um zu ahnen, dass ihnen das Leben solche erteilen wird.
Erstveröffentlichung: 8. November 2016
Autor: Clemens Grün
Grafik: BZP