FISKALTAXAMETER: Neue Geräte schützen nicht vor Manipulationen

Seit mehr als zehn Jahre wird die Idee eines Fiskaltaxameters diskutiert – nun sollen, als bundesweites Pilotprojekt, in Hamburg ab diesem Jahr erste Fakten geschaffen werden. Die Bürgerschaft bewilligte in einer ihrer letzten Sitzungen der abgelaufenen 19. Wahlperiode 4,7 Millionen Euro für 2011 und 2012 zur Voll-Subventionierung von Fiskaltaxametern für quasi alle Hamburger Taxen. Die eingesetzten Gelder, so die Annahme des damaligen Senats samt seiner Taxenaufsichts-Behörde BSU, werden sich binnen zwei Jahren selbst finanzieren – durch weniger Steuerhinterziehung bei den Hamburger Taxenunternehmern.

 

Die Hamburger Taxenunternehmer gelten hiesigen Verantwortlichen in Politik und Verwaltung im Vergleich mit anderen Städten als besonders unzuverlässig. Bei dieser Negativ-Einschätzung können sie sich berufen auf eine Einschätzung des auch bundesweit aktiven Hamburger Gutachters Thomas Krause (52), dessen Firma „Linne und Krause“ seit Jahren im Auftrag der Hansestadt das laufende Gutachten über das lokale Taxengewerbe erarbeitet. So hatte Krause bei einem Fachvortrag vor zwei Jahren, im Februar 2009, behauptet, die Zahl der Hamburger Taxen mit „unplausiblen Umsätzen“ läge bei fast 60% – der mit Abstand höchste Wert in Deutschland (an zweiter Stelle folgte Frankfurt mit einem fast 20 prozentigen Abstand).

 

Diesen Sumpf trocken zu legen hat sich die Hamburger Taxenaufsicht vorgenommen. Ihre bisherige Strategie, spätestens bei der alle fünf Jahre fälligen Konzessionsverlängerung die mit den Steuerklärungen angegebene Taxen-Umsätze, aber auch die einhergehenden Personalkosten auf ihre „Plausibilität“ zu prüfen, kam aber gerade bei großen Taxenbetrieben oft an ihre Grenzen. Immer wieder umfassten die Sammlungen von Schichtzetteln und anderen Buchhaltungs-Unterlagen gerade bei Mehrwagen-Unternehmern eine größere Menge an Kartons, die händisch zu überprüfen die Mitarbeiter der BSU häufig vor unlösbare Aufgaben stellten.

 

Abhilfe für diesen Missstand sollen automatische Prüfungen „auf Knopfdruck“ bringen. Statt tagelanger manueller Nachrechnerei (wenn gerichtsfest ab bestimmten Betriebsgrößen überhaupt noch möglich) soll künftig Prüf-Software binnen Minuten feststellen können, ob die vorgelegten Taxameter-Daten echt, unmanipuliert und vollständig seien. Liefern sollen diese „revisionssicheren Taxameterdaten“ neue Taxameter-Modelle, die von den Herstellern Hale und Kienzle für den Sommer 2011 angekündigt werden – und die die Hamburger Taxenaufsicht mit einer vollen Geräte-Subvention lt. Bürgerschaftsdrucksache 19/7882 bis Ende 2012 in nahezu alle Hamburger Taxen bringen will. Allein bis Ende 2011 soll – gemäß der laufenden Haushaltsplanung – mit 2,5 Millionen Euro die Aussattung von mehr als der Hälfte aller Hamburger Taxen mit diesen Fiskaltaxametern finanziert werden.

 

Um ihren Ansinnen Nachdruck zu verleihen, hat die noch für die Taxenaufsicht zuständige „Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt“ mit Schreiben vom 5. April 2011 schon einmal jenen Taxenunternehmern mit verschärften Überprüfungen gedroht, „die nunmehr Taxameter ohne Einzelaufzeichnung oder Datenexportfunktion gezielt beschaffen und im Betrieb einsetzen„. Harter Tobak, zumal die Nutzung älterer Taxameter mindestens bis zum Jahre 2016 völlig legal ist und die Anschaffung und der Einsatz von Fiskaltaxametern ausschließlich auf freiwilliger Basis erfolgen können.

 

Dabei bieten nicht nur die alten Taxameter die Möglichkeit zum Schönrechnen der Taxenumsätze. Auch nach dem Einbau eines Fiskaltaxameters können künftigTaxenunternehmer weiterhin Steuerverkürzungen vornehmen. Griechenlands Taxifahrer haben das bei der Einführung von Fiskaltaxametern in ihrem Land vorgemacht – seitdem schalten viele der dortigen „Kutscher“ bei Fahrtbeginn den Taxameter gar nicht mehr ein, sondern handeln die Preise vorher aus oder agieren mit Festpreisen. „Sieger“, also Fahrten ohne Taxameter, wären fortan keine Domäne unehrliche Fahrer im Angestellten-Status mehr, sondern würden zunehmend auch bei (allein-) fahrenden Unternehmer anzutreffen sein. Die fehlende Absicherung der Einführung von Fiskaltaxametern durch eine Pflicht für Sitzkontakte (die bei Fahrgästen automatisch den Taxameter einschalten würden) oder eine Bonpflicht ist für diese offene Flanke des Hamburger Fiskaltaxameter-Konzepts verantwortlich. Dabei wurde die Bonpflicht entsprechend Registriekassen in einem Referentenantwurf des Bundesfinanzminsteriums (BMF) schon 2008 vorgeschlagen und später wieder einkassiert.

 

Zwar wird durch das Sicherheitskonzept für Fiskaltaxameter mit dem dem sofortigen digitalen Signieren der Daten jeder einzelnen Tour einer nachträglichen Umsatz-Manipulation effektiv begegnet, weil dieses mit Prüfprogrammen sofort erkennbar würde. Auch gelten theoretisch mögliche Angriffe auf die Datenintegrität wie ein sog. „Koalitionsangriff“ als höchst unwahrscheinlich, wie Dr. Norbert Zisky von der federführenden Physikalisch-Technischen Bundesanstalt erläutert: „Hier müssten auch Taxameter-Hersteller und Taxi-Hersteller an den Daten-Manipulationen beteiligt sein – ein höchst unwahrscheinliches Szenario„. Doch die Möglichkeit von Einnahme-Manipulationen im Zeitalter des Fiskaltaxameters bedarf keiner großen technischen Ein- und Angriffe. Würde beispielweise zusätzlich zu dem Fiskaltaxameter ein zweites Taxameter (z.B. ein unauffälliges Spiegel-Taxameter) eingebaut und z.B. statt des Fiskaltaxameters bei jeder 4. oder 5. Fahrt zum Einsatz kommen, würde das Fiskaltaxameter plausible und unmanipulierte Daten liefern – aber eben keine vollständigen. Im Gegenteil: Durch das Fehlen der Tacho-Kilometerangaben bei den künftigen „elektronischen Schichtzetteln“ würden diese Manipulationen fortan unentdeckt bleiben können – das Gegenteil der angestrebten Zuverlässigkeit von Daten aus Fiskaltaxametern. Dass die bei einem solchen Szenario fehlende Eichmarke am Zweit-Taxameter einem Fahrgast auffallen würde, darf dabei als eher unwahrscheinlich angenommen werden.

 

Ein weiterer Aspekt bei einem solchen Manipulations-Szenario sollte nicht unterschätzt werden: Fahrzeuge mit einem Fiskaltaxameter und ihre Unternehmer dürften in den nächsten Jahren, solange alles noch freiwilig eingebaut wird, bei den Behörden und Ämtern einen Vertrauensvorschuss genießen – die aktiven Verweigerer wären im Fadenkreuz von behördlichen Überprüfungen und Kontrollen. Wer mit technischen Tricks das Konzept des Fiskaltaxameters untergräbt, hätte nicht nur illegale Zusatzeinnahmen und plausible Taxameter-Daten – er hätte auch einen deutlich geringeren Kontrolldruck durch die Behörden und Ämter zu erwarten, die mit den laufenden Überprüfungen der zahlreichen Digital-Verweigerer auf Jahre gut ausgelastet wären. Daten-Hacker wissen das schon seit langem: „Social Engenieering“ ist meist effektiver als ihre technische Variante. Wer weiß, wo der Zettel mit dem Passwort liegt, erspart sich technisch aufwändige Prozeduren des Passwort-Knackens. Taxenunternehmer, die künftig den Behördenerwartungen in Bezug auf freiwillige Fiskaltaxameter-Nutztung entsprechen, hätten bei illegalen Einnahmeverkürzungen eine geringere Gefahr der Entdeckung.

 

Die ehrlichen Analogen wären dann die Dummen.

 

Erstveröffentlichung: 12.5.2011

 

Text: Clemens Grün

Foto: Boy-Ove Dau

 

 

———-
TAGS (Schlagworte):
[[MoreLikeThis]]

Artikel :.: Hamburg :.: 2011 :.: Behörde_BSU :.: Bürgerschaft_HH :.: Recht :.: Steuern_und_Abgaben :.: Taxameter :.: Krause_Thomas :.: Ströh_Michael :.: Tesymex_UG :.: Hale :.:  Kienzle :.: Physikalisch_Technische_Bundesanstalt
———-
 

 

[[sectionpicker?sid=19]]