PHAETON-TAXI: Ein Sonnenwagen auf Crashkurs

Von außen sehen sie eher unspektakulär aus, die teuren Phaeton-Taxen von VW (Listenpreis: EUR 75.000,-). Manche Taxikollegen spotten über den „Passat-Plus“, wenn sie einen der Oberklasse-Limousinen in elfenbeingelb sehen. Andere erinnern daran, dass VW den Verkauf seines Luxusmodells in den USA wegen anhaltender Erfolglosigkeit einzustellen ankündigte. Dabei wird übersehen, dass die in der „Gläsernen Manufaktur“ in Dresden hergestellten Phaetons sich auf anderen Märkten immer besser absetzen lassen. Erst im Januar diesen Jahres meldete der Wolfsburger Autokonzern einen Produktionsrekord für eine steigende Nachfrage.

Doch die hohen Anschaffungs-, Umrüstungs- und Verbrauchskosten der Phaeton-Taxen stoßen vielen hiesigen Taxiunternehmern, von wirtschaftlichen und finanziellen Sorgen geplagt, unangenehm auf. Der russische Hintergrund des geldgebenden Gesellschafters führt in der Branche zu gedanklichen Schnellschüssen, der unbelegte Vorwurf, die Investition diene der „Geldwäsche“, macht hinter vorgehaltener Hand die Runde. Gegen solche Überlegungen steht, dass sich die Verkehrsgewerbe-Aufsicht in der „Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation“ (BWVI) vor Erteilung der ersten Konzessionen das Konzept des Investors sowie seinen finanziellen Backround genauer anschaute. Auch wurden nicht, wie gewünscht, 50, sondern zuerst einmal 15 Konzessionen genehmigt – weitere stehen nicht zuletzt unter dem Vorbehalt der nachgewiesenen Wirtschaftlichkeit. Gegen die Annahme der Geldwäscherei spricht  angesichts der eingebauten moderenen Taxametern (Hale06) samt Sitzkontakten auch der Umstand, dass es sehr viele fahrende Mitwisser gäbe.

Derzeit kämpft die Firma an mehreren Fronten: Einerseits ist die Strahlkraft der Wagen und der überdurchschnittlichen Bezahlung – laut Geschäftsführer 50% des Nettoumsatzes, der mit einem Grundlohn von € 2000,- monatlich verrechnet wird – wider Erwarten bei der Personalsuche noch nicht so durchschlagend wie erhofft. Vier der 15 Wagen standen bei unserem Besuch vor ein paar Tagen fahrerlos auf dem Betriebsgelände, die anderen sind in der Regel mit nur einem Fahrer besetzt, welche nach Schichtende den Wagen mit nach Hause nehmen. Auch entsprechen die wenigstens der bisher gesichteten angestellten Fahrer dem Wunschbild des Geschäftsführers Eduard Myalik, der von „Fahrern in Firmenkleidung“ spricht – der tatsächliche legere Taxifahrer-Look vieler Phaeton-Kutscher und einige im Taxi rauchende Fahrer passen sicher nicht zu dem gewünschten Image eines „Limousinenservice zum Taxipreis“. Schließlich kämpft die firmeneigene Zentrale mit der einprägsamen Hamburger Rufnummer 600 800 800 noch mit technischen Problemen mit der von Hale gelieferten Vermittlungs-Technik. Dazu kommt, dass eine nachhaltige Kundenwerbung eine halbwegs akzeptable Bedienfähigkeit zumindest in betuchteren Stadtteilen voraussetzt, die mit der derzeitigen Wagen- und Fahrerzahl nicht funktionieren kann. So geht auch Geschäftsführer Myalik davon aus, dass das ganze Konzept samt eigenem Zentralenbetrieb erst bei 30 bis 40 Wagen zu greifen beginnt, was er noch in 2012 erreichen möchte. Das finale Ziel von einhundert Fahrzeugen wird binnen zwei Jahren angestrebt.
 
Das Konzept von eigener Flotte samt eigener Zentrale ist zwar in ländlichen Gebieten und Kleinstädten gang und gäbe, in Großstädten aber ungewöhnlich. Ein solches Experiment hatte vor ein paar Jahren Hamburgs größter Taxiunternehmer Uwe Stambula gestartet – und war gescheitert. Es bindet zudem Kräfte, die beim Aufbau von Flotte und Kundengeschäft fehlen könnten. Doch wollte man das neue Konzept ohne Vorbild aus eigener Kraft gestalten, ohne äußere Einflüsse. Zu dem Konzept zählt auch ein eigener Werkstattbetrieb, für den schon die Räumlichkeiten vorhanden sind, dem es aber bisher an Hebebühnen mangelt. Bisher werden dort kleinere Arbeiten wie das Bekleben mit den seitlichen Werbefolien erledigt.
 
Dass der Phaeton ein zwar sehr komfortables Gefährt, aber nicht werksseitig vorbereitet für den Taxenbetrieb ist, musste man schmerzlich erfahren. Fast eine Woche braucht die Funkwerkstatt Reuss für die notwendigen Umrüstungen und Einbauten pro Fahrzeug. Auch ist man sich bei „Phaeton Taxi“ nicht sicher, ob es immer nur VW-Modelle sein werden, man liebäugelt auch mit Wagen der S-Klasse von Daimler. Dabei muss der gewählte Firmenname nicht zwingend hinderlich sein, denn der Begriff „Phaeton“ hat mehrere Bedeutungen und ist nicht nur die Bezeichung des Oberklassen-Modells von VW. Eine der Wortbedeutungen ist eine Pferdekutschenart – allerdings ein Modell, bei denen die Herrschaften selbst lenkten, also ohne Kutscher.  Zurückzuführen ist der Name auf einen griechischen Gott „Phaeton“, ein Sohn des Sonnengottes „Helios“. Dessen „Sonnenwagen“ leihte sich „Phaeton“ aus und verursacht auf seiner Crashtour „eine Katastrophe universalen Ausmaßes“ (Wikipedia).

Ob sich die Befürchtungen zahlreicher Hamburger Taxler, dass „Phaeton Taxi“ gerade lukrative längere Fahrten aus betuchteren Stadtteilen und dem Hamburger Umland binden könnte, bewahrheiten, muss abgewartet werden. Zum einen hängt das von den finanziellen Möglichkeiten und der Geduld des Investors ab, eine längere Durststrecke durchhalten zu können. Zwar betreibt dieser auch Taxiflotten in Moskau und St. Petersburg, diese sind dem Vernehmen nach aber gemischte Flotten. Das Modell einer Oberklassenflotte ist ein erstmaliges Experiment, das lt. Geschäftsführer Myalik nicht zuletzt deswegen in Hamburg gestartet wurde, weil es hier keine Konzessionsbeschränkung gibt. Auch die höhere Dichte von Millionären und anderen Gutbetuchten an Alster und Elbe wird eine Rolle dabei gespielt haben, dieses Experiment hier zu starten. Ob diese Klientel aber ausreicht, die für einen kostendeckenden Betrieb notwendige hohe Auslastung der Fahrzeuge hinzubekommen, steht in den Sternen, die einst der Gott „Phaeton“ unheilvoll heimsuchte.

 

 

 

Text + Foto: Clemens Grün

 

Erstveröffentlichung: 12. März 2012

 


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