KOMMENTAR: Keine Bewährung für den Hansa-Sumpf

Verhandelt wurde in einem langen erstinstanzlichem Verfahren, dessen akribische Spurensuche das ganze zweite Halbjahr 2011 umfasste, ein 26 Jahre anhaltendes System von „Schwarzen Kassen“. Angeklagt waren die drei ehemals allgewaltigen Hansa-Vorstände Jürgen Kruse, Manfred Gieselmann und Rolf Huck für die Abrechnung von 211 Scheinrechnungen („weiße Zettel“), die von willfährigen Hansa-Unternehmern ausgestellt worden waren und die der Speisung von „Schwarzen Kassen“ dienten. Bezahlt wurden hieraus allerlei Schwarzarbeit in der Zentrale, Schmiergeldzahlungen an Hotel- und Praxenmitarbeiter, Bauarbeiten in den Zentralenräumen sowie Festivitäten wie der „Taxenball“. Von den Verjährungsfristen, die dazu führten, dass große Teile dieses Sumpfes nun nicht mehr strafrechtlich zu ahnden waren, profitierten viele: Gieselmann, der deutlich länger als Kruse dieses System betrieb, aber dessen Großteil an Taten nicht mehr justiziabel waren und der deswegen eine geringere Strafe erhielt als Kruse. Es profitierten von diesen Verjährungen auch Legionen von Hansa-Aufsichtsräten, die jahrzehntelang dieses System gedeckt hatten. Hier ist besonders bemerkenswert der Hamburger Taxi-Multifunktionär Thomas Lohse, der als von Strafe nicht mehr bedrohter Zeuge wahrheitsgemäß aussagen musste, dass er jahrelang die „Schwarzen Kassen“ des Genossenschafts-Vorstandes „geprüft“ habe, bevor die Unterlagen dann geschreddert wurden. Lohse ist, als Nachfolger des ebenfalls jetzt verurteilten Huck, heute 2. Vorstand von Hansa.

 

Zu der akribischen Beweisaufnahme war es überhaupt nur gekommen, weil die drei Hauptangeklagten, gleichermaßen bockig wie schlecht beraten, die Brücken nicht nutzten, die das Amtsgericht und die Staatsanwältin bei dem ersten Verhandlungstag am 16.3.2011 für eine schnelle und milde Aburteilung gebaut hatten. Dieser erste Tag sowie die ganze Hauptverhandlung der ersten Instanz war geprägt von dem Miss- und Unverständnis der tatsächlichen Bedeutung des Vorwurfs der „schweren Untreue zu Lasten der Genossenschaft“ , nämlich nicht die Unterstellung von persönlicher Bereicherung, sondern „nur“ das Nutzen von Geldern an dem für den Etat zuständigen Genossenschafts-Gremium vorbei, nämlich der jährlichen ordentlichen Mitgliederversammlung. Diesem Miss- und Unverständnis der Angeklagten hatte die interessierte Öffentlichkeit es zu verdanken, interessante, teils schockierende Einsichten in das Innenleben der Hansa-Genossenschaft erhalten zu haben.

 

Diesmal zeigten die Angeklagten die einst von Staatsanwaltschaft und Gericht vermisste Einsicht und Reue, und dieses Mal bekamen die drei auch die schon damals im Raume stehenden zur Bewährung auszusetzenden Haftstrafen. Die drei Angeklagten haben für ihre damals sture Haltung einen hohen Preis bezahlt: Kruse verlor  wegen der damals anhaltenden Berichterstattung über den Prozess wieder seinen gut dotierten Hob beim Hansa-Konkurrenten am Grindelhof, Gieselsmann Ehefrau erkrankte nicht zuletzt durch den jahrelangen Druck dieses, von ersten Vernehmungen bis zum nun erfolgten Schuldspruch fünfjährigen Verfahrens psychisch, und der einst so agile Huck erschien, lt. ärztlichem Gutachter ob einer laufenden Chemotherapie für nur „eingeschränkt verhandlungsfähig“ erklärt, zu der Berufsverhandlung als greisenhafte Gestalt.

 

Bemerkenswert an diesem Berufungsverfahren, das diesmal im Strafjustizgebäude mit scharfen Einlasskontrollen und Fenstern in fluchtverhindernder Höhe stattfand, war auch der Bruch der einst eng zusammen agierenden Verteidigertruppe. Hucks Anwalt Öhler, der schon das vorherige Gericht mit allerlei Bemerkungen und Tricks nachhaltig verärgerte, war von den beiden anderen Verteidigern erst kurz zuvor und offensichtlich auch nicht vollständig über deren Anliegen, durch ein Schuldeingeständnis und Reue zu einer milderen Verurteilung zu kommen, informiert worden. Als Öhler das Gericht um eine kurze Sitzungspause bat (Richter: „Aber nur 5 Minuten!“), um mit den beiden anderen Anwälten über deren Strategie zu sprechen, holte er sich sowohl von Kruses Anwalt als auch Gieselmanns Anwältin eine schroffe Abfuhr – beide sahen keinen Bedarf, sich mit Öhler zu beraten. Diesmal waren auch die Anwaltskollegen von dem oft eitel wirkenden und im Ergebnis kontraproduktiv arbeitenden Öhler offenkundig genervt. Öhlers Ruf als der Hamburg Taxi-Anwalt dürfte nicht zuletzt durch dieses fachöffentlich breit verfolgte Verfahren gelitten haben.

 

Einblicke hatte das Verfahren gegeben in einen jahrzehntelang nicht bekämpften Sumpf, aus dessen Tiefen es bis heute immer wieder blubbert. Ein Sumpf aus Günstlingswirtschaft und Tourenverschieberei, seien es oft weite Bahn-Ersatztouren oder lukrative Buszubringer-Fahrten. Ein Sumpf aus Repression nach unten, bei dem ein „Schiedsausschuss“ von vielen Fahrern nicht als Qualitätsmanagment, sondern nur als geldbringende Willkür empfunden wird. Und es bot sich immer wieder das Bild einer Genossenschaft aus Mitgliedern, die entweder mitmachten beim laufenden Rechtsbruch (inkl. auch von Gericht und Staatsanwaltschaft festgestellter Falschaussagen selbst vor Gericht, wo so etwas unter scharfer Strafandrohung steht!) oder den Mund hielten aus Mangel an Courage oder, schlimmer, falsch verstandenem Corpsgeist. Der Sumpf blubbert bis heute, weil es die Genossenschaft nach dem Auffliegen der „Schwarzen Kassen“ versäumt hat, intern auszumisten. Stattdessen wurde durch Beschluss, die drei ehemaligen Vorstände auch bei Schuldspruch nicht zivilrechtlich zu belangen, intern nur die Ruhe wieder hergestellt, aber nichts die Strukturen auszutrocknen, die zur Sumpfbildung führten. Die Genossenschafts-Mitglieder zahlten zwar zähneknirschend durch Umlage und Erhöhungen den entstandenen finanziellen Schaden. Aber jeder und jede nimmt bis heute ungerührt die durch die „Schwarzen Kassen“ illegal gesicherten Touren. Unrechtsbewußtsein? Wie naiv.

 

Der Sumpf wird immer wieder blubbern, solange die Strukturen bleiben, wie sie bisher immer waren, samt vieler inaktiver, nur zahlender Mitglieder, schweigender Mehrheiten und Leuten, die den Mitmach-Sinn einer Genossenschaft nicht einmal ansatzweise verstanden haben. Der Sumpf wird immer wieder blubbern, solange sich die Genossenschaft weiter arrangiert mit Mitgliedern, gar Funktionären, die involviert waren bei den „Schwarzen Kassen“, als Günstling, als Organisator, als Prüfer. Durch die nun rechtskräftig werdenden gerichtlichen Feststellungen stellen sich ab jetzt die politischen, auch die gewerbepolitischen Fragen nach Konsequenzen. Wer glaubt, dass durch die öffentlichen Schuldzuweisung auf Einzelne, zumal Ehemalige, sei die Hansa-Genossenschaft, seien aktuelle, ebenfalls in den Sumpf involvierte Hansa-Funktionäre nun aus dem Schneider zu sein, der irrt. Wer so etwas glaubt, der ist tatsächlich naiv.

 

 

 

Text: Clemens Grün

 

Erstveröffentlichung: 5. April 2013

 

 
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