Interview nährt den Verdacht vom mytaxi-Notverkauf
Im letzten Spätsommer hat der Milliardenkonzern Daimler das mytaxi-Startup komplett übernommen, was Leser von TAXI-MAGAZIN.DE damals zuerst erfuhren (MYTAXI: Greift die Car2Go-Firma nach dem Pionier für Taxi-Apps?). Jetzt hat Niclaus „Nic“ Mewes, zuerst Mitgründer und Mitinhaber von mytaxi und nun als angestellter Geschäftsführer im einst eigenen Laden tätig, in einem Interview ein Stück weit Einblick gewährt in die damalige Situation. Das Interview nährt meinen Verdacht, der Verkauf sei nicht völlig freiwillig erfolgt, sondern eher ein Notverkauf gewesen.
Bei vielen Startup-Gründern, die schnell kapitalkräftige Investoren mit an Bord nehmen, ist der gewinnbringende finale Verkauf der aufgebauten Firma Teil des Geschäftsplans. Eine gute Geschäftsidee, ein paar Jahre viel und hart arbeiten, und nach einem erfolgreichen Exit aus der eigenen Firma mit den eingestrichenen Millionen fortan ein sorgenfreies Leben führen – das sind die feuchten Träume Tausender Startup-Gründer. Bei Mewes klingt das – für mich durchaus glaubwürdig – aber deutlich anders: „Der erfolgreiche Exit ist häufig der Wunschtraum von Gründern. Bei uns stand das aber nie im Mittelpunkt. Im Gegenteil.“
Ich halte diese Aussage deshalb für glaubwürdig, weil ich einst, als erster regulärer Android-Fahrer bei mytaxi noch zu Zeiten des auf Hamburg begrenzten Testbetriebs in 2010, damals einen engeren Kontakt zu Mewes hatte. In den ersten Jahren war ich für den mytaxi-Gründer der Vorzeigefahrer für die Öffentlichkeits- und Pressearbeit: Zitate auf der mytaxi-Webseite und in Werbeflyern, Teilnahme an der Pressekonferenz zum neuen „Payment“ (einer In-App-Bezahlung von Taxitouren), der Taxifahrer für Fernsehberichte wie dem zur damals geplanten Zentralen-Software. Aus dieser damaligen Nähe erlaube ich mir die Beurteilung, dass der Programmierer Mewes zuerst einmal an der Zukunft der von ihm erdachten und erschaffenen Software interessiert war und nicht nur an einem schnellstmöglichen Verkaufserlös.
Aber warum dann der Verkauf in 2014? Es gab in den ersten Jahren einen bemerkenswerten Zuwachs an Kunden und Touren. Aber, und das ist die andere Seite des mytaxi-Erfolges, es gab einen noch dynamischeren Zuwachs an Personal und Kosten. Und die Bereitschaft zur weiteren Geldgabe war bei den Investoren, zu der schon damals Daimler mit seiner Tochter moovel (u.a. Car2Go) gehörte, spätestens 2013 bei der 3. Investitionsrunde deutlichst geringer als erhofft ausgefallen. In diesen perspektivisch wachsenden finanziellen Nöten verfielen die mytaxi-Macher auf die wenig glorreiche Idee, mehr aus den vermittelten Touren herauspressen zu wollen als die € 0,79, die bis dahin als pauschale Vermittlungsprovision pro Tour bei mytaxi landeten. Aber das im Januar 2014 eingeführte neue Bietverfahren hatte einige so nicht eingeplante Nebeneffekte: mytaxi kam schlagartig eine vierstellige Zahl an Vertrags-Taxis abhanden, und auch die Kunden reagierten ob der deutlichst verstimmten Fahrer und den ansteigenden Wartezeiten teilweise mit Rückorientierungen zu den klassischen Taxizentralen. Ein halbes Jahr nach Einführung des neuen Vermittlungs- und Provisonssystems standen die mytaxi-Macher zunehmend mit dem Rücken zur Wand. mytaxi-Mitarbeiter fingen an, sich Sorgen darüber zu machen, wovon sie in Kürze ihre Miete bezahlen sollten.
Ich glaube: Mewes und Mitgründer Sven Külper haben die letzte Chance genutzt, noch einigermaßen eigenbestimmt ihre Anteile verkaufen zu können. Für den Investor Daimler ist der Kauf eines kompletten und eingespielten Entwicklerteams (insgesamt immerhin 40 Spezialisten), zumal, weil dieses Team auch die strategisch wichtige Car2Go-App geschrieben hat, das kleinere Übel gewesen. Oder vielleicht sogar der Plan? Ließ ein strategisch denkender Investor wie Daimler die mit dem Firmenaufbau und der sowohl in- als auch ausländischen Expansion offensichtlich überforderten mytaxi-Macher absichtlich in die Kostenfalle laufen, um zu bezahlbaren Preisen an eine renommierte Entwicklerbude zu kommen? Zumal die inhaltliche Ausrichtung des Hamburger Startups prima passte zu der Ausrichtung der Daimler-Tochter moovel, bei der an einer Web-Plattform zum Verkauf jeglicher Mobilitätsangebote gearbeitet wird.
Wäre mytaxi weniger defizitär gewesen, perspektivisch sogar profitabel, der strategische Kauf wäre für Daimler deutlich teurer geworden. So waren die an die anderen Investoren und die beiden Gründer zu zahlenden Millionen für einen Großkonzern wie Daimler überschaubar.
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