Interview: Alexander Mönch zu den FreeNow-Preiserhöhungen

Alexander Mönch von FreeNow

Alexander Mönch, General Manager von FreeNow für Deutschland und Österreich

 

Der Tourenvermittler FreeNow (ehemals mytaxi, jetzt eine gemeinsame Firma von Daimler und BMW ) hat in einer eMail an die angeschlossenen Taxiunternehmen angekündigt, die Preise für die Tourvermittlung an Taxis ab dem 7. Oktober 2020 deutlich anzuheben. Die App-Vermittlung einer Kundenfahrt schlägt dann mit 12% statt bisher 7% zu Buche, und für die bisher kostenlose Einsteigerfahrt mit einer Fahrtbezahlung per App sollen künftig 6% Provision anfallen. Wir haben dazu Fragen an Alexander Mönch, General Manager für Deutschland und Österreich bei FreeNow gestellt.

 

TM: Herr Mönch, Hand aufs Herz: Kommt eine solche Erhöhung während der Corona-Pandemie, wo die Taxi-Umsätze stark eingebrochen sind, nicht zur Unzeit?

Mönch: Ursprünglich war die Anpassung der Vermittlungsgebühr schon für das zweite Quartal 2020 vorgesehen. Aufgrund der Covid-19-Pandemie haben wir diese Pläne selbstverständlich verschoben.

TM: Die Pandemie wird voraussichtlich noch monatelang anhalten, viele Taxiunternehmen kämpfen ums Überleben. Warum jetzt?

Mönch: Kurz vor dem Lockdown im März haben wir bewusst auf diesen Schritt verzichtet. Einen idealen Zeitpunkt gibt es nie. Derzeit sind wir mit unseren Vermittlungen wieder bei 60%, Tendenz wöchentlich steigend. Am stärksten betroffen ist das Segment der Geschäftsreisenden. Derzeit tragen vor allem Berufspendler und Ausgeher den laufenden Zuwachs.

TM: Aber warum die Erhöhung nicht wenigstens verschoben auf die Zeit nach der Pandemie?

Mönch: Die Gebührenerhöhung greift ab dem 7. Oktober. Bis dahin wird sich das Geschäft weiter erholt haben und wir gehen davon aus, dass wir um den Jahreswechsel herum ein “neues Normal” haben werden und bei FREE NOW auch wieder ein Wachstum im Vergleich zum Vorjahr. Sie dürfen nicht vergessen, dass unser Wachstumspotenzial nach wie vor groß ist, auch durch die Integration neuer Mobilitätsservices. Wir gewinnen neue Fahrgastgruppen, die sich möglicherweise wegen einer Scooter-Nutzung registrieren, später aber – in einer anderen Situation – ein Taxi buchen werden.

TM: Aber warum sollen die Taxifahrer die Investitionen in Taxi-Konkurrenten finanzieren?

Mönch: So ist es ja nicht. Unsere Strategie der vergangenen anderthalb Jahre verfolgt konsequent die Verteidigung unserer Marktführerschaft in Deutschland, da immer mehr internationale Wettbewerber mitspielen. Erstens: FREE NOW Ride hält nicht nur das preissensitive Publikum auf der Plattform. Es gewinnt auch sehr viele neue Fahrgäste hinzu. Zweitens: FREE NOW ist die Plattform mit den meisten voll integrierten Mobilitätsservices. Auch dadurch erfahren wir einen hohen Anteil an Neukunden. Das sind Fahrgäste, die in einer anderen Situation auch ein Taxi buchen werden. In einer Situation, in der sie einen zuverlässigen, hochwertigen Service benötigen. Diese Strategie ist in vollem Einklang mit den Städten, die ihre Bürger*innen und Tourist*innen mit einem attraktiven, integrierten Angebot alternativer Mobilitätsdienste animieren wollen, in der Stadt auf das eigene Auto zu verzichten. Damit wir diese Strategie konsequent weiterführen können, müssen alle integrierten Services einen positiven Deckungsbeitrag liefern. Auch das Taxi. Taxifahrer*innen werden ab Oktober wieder deutlicher spüren, dass wir sie weiterhin als starke Säule unseres Angebots betrachten. Wir wissen durchaus, wo wir herkommen.

TM: Ist die Erhöhung nicht sehr üppig ausgefallen?

Mönch: In den letzten 5 Jahren haben wir unsere Vermittlungsprovision mit 7% stabil gehalten. Gleichzeitig ist der Wettbewerb heute wesentlich intensiver als noch 2015. Mit 7% ist kein positiver Deckungsbeitrag möglich. Bitte bedenken Sie, dass in der Provision auch die Kosten für per App bezahlte Touren enthalten sind.

Übrigens haben wir während des Lockdowns, als die Touren um 90% eingebrochen sind, das Taxigewerbe mit der kostenfreien Ausgabe von 3.500 Trennwänden, 10.000 Masken, 10.000 Desinfektionsmittel und 10.000 Handschuhe unterstützt. Das war durchaus eine Investition, denn damals gingen die Preise für Infektionsmittel und Trennwände durch die Decke.

TM: Gelten die angekündigten Preiserhöhungen nur für Deutschland?

Mönch: Wir haben in den vergangenen anderthalb Jahren in ganz Europa die Gebühren angepasst. Weiterhin gilt bei FREE NOW: Nur eine erfolgreiche Tour wird abgerechnet. Ende des Jahres wollen wir zudem eine Stornogebühr für Fahrgäste einführen, die wir an die Fahrer*innen weiterreichen.

TM: Wieviel kostet die Vermittlung von Touren für Mietwagen bei Ihnen?

Mönch: Sie können die Gebühren bei Mietwagen nicht direkt mit denen bei Taxi vergleichen. Der Wettbewerb und die rechtlichen Rahmenbedingungen sind zu unterschiedlich. Nominell liegt die Gebühr bei maximal 25%, wobei die Anwendung eines komplexen Anreizsystems diese Gebühren netto deutlich reduziert. In nachfragestarken Zeiten kann auch der Umsatz für Fahrer*innen attraktiver sein.

TM: In ihrem Schreiben an die Taxiunternehmer führen Sie an, dass Sie in den letzten fünf Jahren über 50 Millionen Euro in den Taximarkt investiert haben. Wofür wurde das Geld ausgegeben?

Mönch: An unseren “Tech-Hubs” arbeiten über 600 Softwareentwickler. Wir investieren laufend in die Pflege und Weiterentwicklung der gesamten Vermittlungs-Software inkl. der Apps. Wir investieren in Marketingaktionen und die Service-Büros, in denen wir uns um die Belange der Unternehmer*innen, Fahrer*innen, Behörden, Lokalpolitik und Gewerbepolitik kümmern. Unter den Tourenvermittlern sind wir klarer Marktführer in Deutschland. Davon profitieren alle, die mit FREE NOW zusammenarbeiten.

TM: Wie schätzen Sie die Lage von FreeNow im Hinblick auf den internationalen Wettbewerb, insbesondere mit Uber ein?

Mönch: In der Tat sind unsere Wettbewerber nicht mehr so sehr die Taxizentralen, sondern internationale Player wie Uber oder Bolt, die kurz vor dem Markteintritt in Deutschland stehen. FREE NOW ist die einzige große deutsche Multiserviceplattform und mit Abstand der größte Taxivermittler. Diese Position werden wir verteidigen. Auch wenn es Konsolidierungen geben wird unter den kleineren Anbietern, glauben wir nicht an einen “the winner takes it all” Markt, an dem am Ende nur eine Plattform übrig bleibt. FREE NOW gehört in Europa zu den führenden Mobilitätsplattformen und das wird sich auch nicht ändern.

TM: Aber es bestehen schon Zweifel, ob eine quasi verdoppelte Vermittlungsgebühr noch marktgerecht ist.

Mönch: Es ist keine Verdoppelung und das Trinkgeld bei bargeldlosen Touren ist auch nicht mehr in der Berechnungsgrundlage enthalten. Die Vermittlungskosten sind in den letzten fünf Jahren auch bei vielen Taxizentralen teurer geworden, insbesondere wenn man die Anzahl der vermittelten Touren und auch den Tourenwert in Relation setzt. [Nachträgliche Löschung, siehe Fußnote 1]

TM: Bei einer früheren Erhöhung in ähnlicher Höhe hat mytaxi 2014/2015 über 1.000 Taxis verloren. Wie wollen Sie Ähnliches verhindern?

Mönch: Wir haben allein in Deutschland 25.000 Fahrer in der Tourenvermittlung. Natürlich ist unsere Entscheidung nicht populär. Deswegen werden wir über die Gründe in den nächsten Wochen viel mit den Fahrer*innen und Unternehmer*innen sprechen. Am Ende wird die weit überwiegende Mehrheit weiter bei uns mitmachen, weil FREE NOW weiterhin in den Markt investiert und gute Touren liefert. Als wir Ride in München gestartet haben, sind gut 400 Fahrer (nicht die öffentlich vermeldeten 800) abgemeldet worden. Mittlerweile sind diese abgemeldeten Fahrer größtenteils wieder zurückgekehrt, teilweise in anderen Taxiunternehmen. Das zeigt, dass wir für den Taximarkt ein relevanter Anbieter geworden sind. Ein Anbieter, der Umsatz liefert.

TM: Ende des Jahres wollen Sie eine Stornogebühr für die Fahrgäste einführen. Diese Gebühren wollen Sie mit der wöchentlichen Abrechnung an die Taxiunternehmen weiterleiten. Fallen die auch unter die 12%-Provisionierung?

Mönch: Wir wollen die Verluste bei den Taxiunternehmen ausgleichen, die entstehen, wenn ein Fahrgast storniert, nachdem sich das Taxi in Bewegung gesetzt hat. Der Verlust einer vorderen Position am Standplatz kann insbesondere in Zeiten schwacher Auslastung aus Fahrersicht sehr ärgerlich sein. Die Stornogebühr, die der Fahrgast bezahlen muss, wird wie jeder andere Umsatz auch an das Taxiunternehmen weitergeleitet und unterliegt demnach auch der Gebühr. Damit decken wir unseren administrativen und technischen Aufwand ab.

TM: Wie wollen Sie angesichts der deutlichen Erhöhung dem Verdacht begegnen, dass FreeNow das Wasser bis zum Halse steht?

Mönch: Ich weise diesen Verdacht entschieden zurück. Wir haben in den vergangenen Jahren viel investiert, sind effizient für die Zukunft aufgestellt und auf dem Weg zu einem profitablen Unternehmen. Nächstes Jahr planen wir wieder mit einem Wachstum, und zwar gegenüber 2019. Nach fünf Jahren haben wir es vorgezogen, lieber einmal deutlich zu erhöhen als regelmäßig hintereinander in kleineren Etappen.

 

Fußnote 1: Hr. Mönch hat gebeten, eine Passage seines Interviews aus dem Interview zu streichen. Hintergrund ist ein möglicher Rechtsstreit mit der Taxizentrale „Taxi-Ruf Köln eG“, zu welcher sich Mönch geäußert hatte. Hintergrund sind die in Presseartikeln berichteten Verluste (von 1,8 Millionen Euro war zu lesen, ebenso von dem Vorwurf des „Missmanagements“ und der Suspendierung von der Mehrheit des Vorstandes durch den Aufsichtsrat)  und mögliche, vermutlich erhebliche Nachschuss-Konsequenzen für die Genossenschaftsmitglieder, wenn der Zentralenbetrieb aufrecht erhalten bleiben soll.

 

 

Fragen: Clemens Grün

Foto: FreeNow

Erstveröffentlichung: 17. September 2020