HOBBY-TAXIS: Ein Wundervoller Nachmittag

Fast den ganzen Tag strahlte am gestrigen Samstag der Sonnenschein auf Hamburg, nur pünktlich um 15:00 Uhr, zum angekündigten Start der „WunderSommerParty“, schoben sich große, teils dunkle Wolken vor die Sonne. Ist Petrus auch kein Freund von illegaler Personenbeförderung? Die Facebook-Seite  kündigte jede Menge „Gäste“ an : „106 Zusagen„, „43 Teilnahme unsicher“ und „240 Eingeladen„. Wobei unsereins die eigenen Mitarbeiter nicht zu „Gästen“ zählen würde, weil sie natürlich zu den Gastgebern gehören. Aber mit der Sprachgenauigkeit haben es die Wundercarler aus der „Generation Praktikum“ nicht, und so basiert das ganze Geschäftsmodell der Firma auf sprachlichen Entgleisungen: Da wird von „Trinkgeld“ gesprochen, wenn „steuerpflichtiges Einkommen“ gemeint ist, und da wird ein knallhartes Ausbeutungssytem (Provisionssatz für das Unternehmen Wundercar: 20 Prozent!) als „Community“ verkauft, in der man interessante Leute kennen lernen könne.

Der Charme des Unperfekten, der die „WunderSommerParty“ durchzog, vom verspäteten und ungeübten Aufbau über die teils bemitleidenswerte Logistik (wer Getränkeflaschen anbietet, sollte auch an Flaschenöffner denken) bis zu der für einen in der Personenbeförderung engagierten Laden erschütternd mangelhaften Ortskenntnis (Handy-Durchsage in unüberhörbarer Lautstärke: „Wir sind hier in St. Georg“ – der tatsächliche, an St. Georg angrenzenden Stadtteil „Hohenfelde“ hätte denen ein Taxifahrer mit bestandener Ortskundeprüfung problemlos mitteilen können) – dieser Charme des Unperfekten konnte nicht verdecken, dass es sich bei „Wundercar“ in Wirklichkeit um ein skrupelloses, von einem knapp halben Dutzend Investmentfirmen getragenes Start-Up handelt, das sein Geschäftsmodell auf der Unerfahrenheit junger Leute aufbaut.

Die Geschäftsidee ist so simpel wie rechtswidrig: Jungen Leuten wird eingeredet, sie könnten sich einfach jederzeit in ihr Auto setzen und als „toller Community Fahrer“ in der Freizeit nebenbei durch Personenbeförderung leichtes Geld verdienen: „Als Fahrer lernst Du interessante Menschen kennen und kannst dabei bis zu 20 € Trinkgeld erhalten. (…) Neben der Fahrt von A nach B geht es bei WunderCar um den Kontakt zu tollen und interessanten Menschen aus Deiner Stadt. Wir suchen Fahrer, die ihre Mitfahrer herzlich willkommen heißen und Spaß daran haben, andere Menschen kennenzulernen.“ Verschwiegen wird den uninformierten Interessenten, dass sie, um die von „Wundercar“ per App vermittelten Touren und Personen gegen Geld überhaupt fahren zu dürfen, einen speziellen Führerschein benötigen (den gibt es erst nach bestandenen Medizinchecks und Ortskundeprüfung), ferner ein für die gewerbliche Personenbeförderung staatlich konzessioniertes Fahrzeug (jedes Jahr zum TÜV) und für eine solche Tätigkeit notwendige, deutlich teurere KFZ-Versicherung. Das Geschäftmodell aus der Kategorie „Nepper, Schlepper, Bauernfänger“ wird beim Punkt „Bezahlung“ grotesk: Um den Eindruck zu vermeiden, es handele sich um eine vom Gesetzgeber streng reglementierte „gewerbliche Personenbeförderung“, wird nicht von „Fahrtkosten“ und „steuerpflichtigem Einkommen“ gesprochen, sondern durchgehend und strikt euphemistisch von „Trinkgeld“. Das suggeriert nicht nur „Freiwilligkeit“, sondern auch Befreiung von Steuer- und Sozialabgaben. Tatsächlich sind Trinkgelder für Angestellte z.B. im Taxigewerbe und in der Gastronmie brutto für netto. Das gilt aber nicht für Selbstständige in diesen Branchen – bei einem selbstständigem Taxifahrer zählt das Trinkgeld zu dem zu versteuernden Einkommen. Wie ist der Status der „Wundercar“-Fahrer: Selbstständig? Unselbstständig? Oder gar scheinselbstständig?

Für letztere Annahme gibt es ein ganz frisches Indiz: In einer internen eMail an die „Wundercar“-Fahrer werden „Fahrzeiten Hamburg 12. – 18. Mai“ angeboten: „Hallo lieber Community Fahrer/in, auch in der kommenden Woche sind wieder Zeiträume auswählbar, zu denen Du als ausgewählter Fahrer/in aktiv sein kannst. Als ausgewählter Fahrer gibt’s du uns im Vorfeld Bescheid, zu welchen Zeiten Du fahren wirst, damit wir besser planen können. Wir versichern Dir für die gewählten Zeiten ein Mindesttrinkgeld von 12,50 Euro (10 Euro ausgezahlt) pro Stunde. Wenn Du zu den Nachteulen gehörst, die am Wochenende von 24 bis 3 Uhr als Fahrer unterwegs sind, garantieren wir Dir sogar ein Trinkgeld von insgesamt 50 Euro (40 Euro ausgezahlt).“ Deutlicher kann gar nicht bestätigt werden, dass es sich bei den Tourangeboten von „Wundercar“ um gewerbliche Personenbeförderung gemäß Personenbeförderungsgesetz (kurz: PBefG) handelt, denn merke: Auch „Nebenerwerb“ zählt zu „gewerblich“.

Dass etwas nicht stimmt, nicht stimmen kann mit der Einordnung „Trinkgeld“ für die Fahrkosten und die Einnahmen der „Wundercar“-Fahrer, wird jedem, der auch nur zu fünf Minuten fehlerfreiem Googeln in der Lage ist, schnell klar: „Trinkgeld“ ist für Nicht-Angestellte, wie schon oben erwähnt, nicht steuerfrei. Das „Trinkgeld“-Einkommen wäre zu versteuern, und zwar in Ermangelung einer, zumindest auf dem Papier, unselbstständigen Tätigkeit („Wundercar“ verlangt von den Fahrern keine Arbeitspapiere). Entweder ist ein nicht-Unselbstständiger ein „Selbstständiger“, dann ist auch „Trinkgeld“ steuerpflichtiges Einkommen. Oder er ist weder unselbstständig noch Selbstständiger – dann Scheinselbstständiger? Das wird „Wundercar“ selbstredend von sich weisen – die Fahrer werden weder als „Angestellte“ noch als „Scheinselbstständige“ angesehen werden. Bleibt der Status „selbstständig“, und da wird es gefährlich, denn es drohen neben der Steuerpflicht für das „Trinkgeld“ weitere rechtliche Fallen: Wenn ein Selbstständiger nicht zu der raren Gruppe „Freier Berufe“ wie Ärzte und Architekten gehört, benötigt er für seine  Tätigkeit, selbst nebenberuflich, eine Gewerbeanmeldung. Spätestens hier wäre, bei korrekter Angabe des Gewerbes „Personenbeförderung“, Schluss mit dem Spuk, denn eine solche Gewerbeanmeldung wird nur erteilt, wenn der Betreffende die für sein Tun zwingenden Voraussetzungen erfüllt, welche sich aus dem PBefG, der BOKraft, der (Hamburger) Taxiordnung und weiterer Vorschriften ergeben, z.B. eine Konzssion für einen „Mietwagen“ oder ein „Taxi“ zu haben.

 

Selbstständig, unselbstständig, scheinselbstständig? Eine Einordnung, die insbesondere den Mitarbeitern von Krankenkassen und „Berufsgenossenschaft Verkehr“ bei den „Wundercar“-Fahrern demnächst noch Freude bereiten wird. Die Freude werden sie sich mit Mitarbeitern des Finanzamtes teilen. Die werden zu prüfen haben, ob bei den Fahrerabrechnungen die bei „gewerblicher Personenbeförderung“ anfallende Mehrwertsteuer auch korrekt ans Finanzamt abgeführt wurde. Schon so manchem Geschäftsmann, der geltendes Recht als für sein Geschäft irrelevant einstufte, also die lange Reihe von Al Capone bis Uli Hoeneß, wurde das Steuerrecht zur überraschenden und nachhaltigen Fußangel.

Dass die Kategorisierung „Trinkgeld“ nicht passt, weil dem eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs aus 2008 entgegen steht, ist eines der Ungereimtheiten, die sich Gründer und Geschäftsführer Gunnar Froh ankreiden lassen muss. In der Entscheidung der höchsten Finanzrichter wurde geurteilt über Trinkgeldeinnahmen von Mitarbeitern eines Spielcasinos (AZ: VI R 49/06, BStBl 2009 Seite 82). Weil denen die direkte Annahme von Trinkgeldern gesetzlich untersagt ist, zahlen die Besucher am Roulettetisch das Trinkgeld in den „Tronc“, eine vom Arbeitgeber verwalteten Trinkgeldkasse. Später werden dann die Tronc-Gelder vom Arbeitgeber auf die Angestellten verteilt. Tenor des Urteils des Bundesfinanzhofs: Diese Zahlungen sind kein steuerfreies Trinkgeld, sondern steuerpflichtiges Einkommen. Es fehle diesen Zahlungen die unmittelbare Zuwendung eines Kunden direkt an den, der durch das Trinkgeld belohnt werden soll. Auf eine Ausnahme von dieser Regel, wenn sich mehrere Mitarbeiter eine Trinkgeldkasse teilen, kann sich „Wundercar“ nicht berufen, denn tatsächlich zieht die Firma erst einmal 100% des „Trinkgeldes“ ein vom Konto des Fahrkunden, was für sich schon gegen die Einordnung als „Trinkgeld“ spricht. Von dieser bargeldlosen Vereinnahmung des faktischen Fahrpreises, dessen Wert die Wundercar-App am Ende der Tour automatisch ausrechnet, zieht sich „Wundercar“ erst einmal unverschämte 20% Provision ab und zahlt später die restlichen 80% an die „Wundercar“-Fahrer aus. Nun könnte man argumentieren, dass schon die zentrale Vereinnahmung von „Trinkgeldern“ auf eine Arbeitgeber-Funktion von „Wundercar“ gegenüber den Fahrern hindeutet. Aber auch wenn die Fahrer, zumindest auf dem Papier, keine Angestellten von „Wundercar“ sind, so fehlt bei solchem „Trinkgeld“ die „Unmittelbarkeit“. Festzuhalten bleibt, dass bei der „Wundercar“-Masche jener Leitsatz des Finanzhofes erfüllt wird, welcher besagt, dass es sich bei solchen „Trinkgeld“-Zahlungen“ durch die zentrale Vereinnahmung und Verteilung tatsächlich um steuerpflichtiges Einkommen handelt.

Auf jeden Fall bleiben diese Zahlungen und die ihnen zugrunde liegenden Fahrten gemäß deutschen Rechts zehn Jahre in der Buchhaltung von „Wundercar“ archiviert und freuen sich dort auf jeden zur Prüfung Berechtigten: Finanzamt, Berufgenossenschaft, Verkehrsgewerbeaufsicht in der Hamburger „Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation“, Steuerfahndung. Darüber wurden bei dem Grillfest die anwesenden „Wundercar“-Fahrer in einem Flugblatt (angucken als PDF) der Hamburger Taxenverbände informiert. Unter der groß gedruckten Überschrift „Liebe Wundercar-Fahrer, wussten Sie, dass Ihr Tun strafbar ist“ wurde die zweifelsfreie Rechtslage zum Thema „gewerbliche Personenbeförderung“ in leicht verständlichen Worten erläutert. Was den Geschäftsführer Gunnar Froh ganz unfroh machte: Erst ging er den Flugblattverteiler und Autor dieser Zeilen in überraschender Rangellaune mehr als einmal persönlich an, versuchte dabei, sich der ihm unpassend erscheinenen Flugblätter zu bemächtigen (wer die kräftige Statur des Autors kennt, weiß, dass solche Attacken nicht immer zielführend sind), kündigte in omnipotenter Manier an, die Flugblätter wieder einsammeln zu wollen (ein interessantes Menschenbild hat der Herr von seinen angeblichen „Vertragspartnern“), um schließlich allerlei teils infantile, teils pubertäre Drohungen auszustoßen. Gefehlt hätte nur noch, dass er seinen mitgebrachten kräftigen Hund zum Einsatz gebracht hätte. Was dem Mann völlig entgangen war: Sein Grillfest fand auf einer öffentlichen Grünanlage statt, wo ihm aber so jegliches Hausrecht fehlte. Ein Fehler, den er vermutlich nicht noch einmal begehen wird.

Die Aufklärung über die rechtlichen Gefahren, welche das Geschäftsmodell von „Wundercar“ für die Hobby-Taxifahrer bedeutet, ist bei einigen der Besucher der „WunderSommerParty“ offensichtlich angekommen. Manche lasen die Informationen vor Ort durch, z.B. die die glasklare und humorlose Ansage in § 61 Absatz 2 des PBefG:  „Wer Personen im Straßenverkehr ohne die erforderliche Genehmigung (…) befördert, dem drohen Geldbußen bis zu zwanzigtausend Euro„. Andere steckten sich das Blatt für eine spätere Lektüre ein. Auch die vom Autor mit kräftiger Stimme vorgetragenen Erläuterungen, bei dem Geschäftsmodell von „Wundercar“ gäbe es „Züge von Organisierter Kriminalität“ und die anwesenden jungen Leute hätten doch noch „ihr Leben vor sich, welches sie nicht mit einem langen Vorstrafenregister“ versauen sollten, verhallten nicht ungehört.

Wer allerdings nicht hören oder verstehen will, der darf sich schon in Kürze auf Post freuen. Eine mittlerweile begonnene Serie an Testfahrten wird in Abmahnungen, Unterlassungserklärungen (alles kostenpflichtig vom Anwalt) sowie Bußgeldern gegen die „Community Fahrer “ münden, die gegen Entgeld Personen befördern. Nach einer Reihe von solchen festgestellten Rechtsverstößen wird dann, als zweiter Akt, der direkte juristische Angriff auf „Wundercar“ gestartet. „Störerhaftung“ heißt der Tatbestand, mit welchem „Wundercar“ das bisherige Geschäftsmodell untersagt werden soll. „Störerhaftung“ meint, kurz und einfach, dass der Betreiber einer Internet-Plattform, bei wiederholt festgestellten Rechtsverstößen seiner Nutzer, zu einem höhreren Kontrollaufwand gezwungen werden kann. Muss „Wundercar“ erst einmal die Fahrer auf einen „Führerschein zur Fahrgastbeförderung“ prüfen und die eingesetzten Fahrzeuge auf eine Konzession, bricht das Geschäftsmodell von „Wundercar“ zusammen, das in seiner jetzigen Form eine Menge Potential für Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung und Erschleichung von Sozialhilfe-Geldern bietet. Dass sich organisierte Taxifahrer eine solche illegale und unfaire Konkurrenz („Wundercar“-Slogan: „Einfach wie ein Taxi, zum halben Preis!„) nicht bieten lassen, scheinen Gunnar Froh und seine Investoren nicht ausreichend bedacht zu haben. Nun bekommen Froh, sein junges Team und die „Wundercar“-Fahrer den Gegenwind, den man sich mit solcher Ignoranz von Recht und Gesetz redlich erworben hat. Nur der Hund von Gunnar Froh wird sich freuen, wenn sein Herrchen demnächst wieder viel Zeit für lange Spaziergänge haben wird. Der Beginn einer Wundervollen Freundschaft?

Wenn dann UBER nach Hamburg kommt, treffen wir uns wieder in Rick“s Café und bitten den Pianisten: „Play it again, Sam“. Die Coolness überlassen wir nicht den Milchbubis.

 

 

 

Bildunterschrift:

Wundercar“-Geschäftsführer Gunnar Froh (links ins Bild eilend) verlor beim Grillfest für Angestellte und Fahrer seiner Firma gestern mehr als einmal die Contenance. Hier versucht er – angesichts der Rechtslage vergeblich – zu verhindern, dass auf einer öffentlichen Wiese ein Foto von einer Menge Menschen gemacht wird, darunter solche in der Nähe des Grillstandes seiner Firma.

 

Links:

   – Presseerklärung HTV vom 29.4.2014: „Kampf den Hobby-Taxis von Wundercar, Uber & Co

   – Flugblatt der „Arbeitsgemeinschaft Taxenverbände Hamburg“ vom 17.5.2014: „Liebe Wundercar-Fahrer, wussten Sie, dass Ihr Tun strafbar ist

 

 

 

 

Erstveröffentlichung: 18. Mai 2014
 
 
 
Text + Foto: Clemens Grün
 
 
 
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