FISKALTAXAMETER: Hamburgs Weg in die Schäne, Neue Taxi-Welt
Hamburg wird 2011 durch die großflächige Einführung eines Fiskaltaxamaters zum Versuchslabor der deutschen Taxenpolitik. Mit der einstimmig beschlossenen Bereitstellung von insgesamt fünf Millionen Euro hat die Anfang 2011 abgelöste frühere Hamburger Bürgerschaft insbesondere einer kompletten Subventionierung einer neuen Taxameter-Generation die Türen geöffnet. Die in Taxen-Angelegenheiten noch federführende „Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt“ (BSU) hat mit einem Schreiben vom 5. April 2011 die behördliche Marschrichtung bekanntgegeben: Einerseits wird Druck auf Taxenunternehmer aufgebaut, weil deren aktuelle Taxameter (insbesondere das weit verbreitete Modell Microtax-05 vom Hersteller Hale) nicht mehr neuesten Anforderungen des Bundesfinanzministeriums (BMF) genüge. Andererseits wird mit einer Voll-Subventionierung der kommenden Taxameter-Generation gelockt – immerhin wurden für bis zu 3.500 Taxameter insgesamt 4,7 Millionen Steuergelder allein für die Geräte-Subvention bereitgestellt. Das Gesamtpaket aus Hale-Modell 06 und den Fiskaltaxameter-Erweiterungen soll, nach Abnahme durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, ab Frühsommer 2011 erhältlich sein. Auch Kienzle kündigt für den Sommer ein passendes Modell an.
“ Locken und drohen “ ist die BSU-Variante von “ Zuckerbrot und Peitsche „, denn allein auf dem juristischen Weg kann die BSU ihr Ziel, schon bald alle Taxen mit einem manipulationssicheren Taxameter zu bestücken, nicht erreichen. Das belegt schon die Überschrift eines Schreibens des Bundesfinanzministeriums vom 26.11.2010, auf das sich die BSU nun bezieht: „Aufbewahrung digitaler Unterlagen bei Bargeschäften„. Gerade ältere Taxameter ohne jegliche digitale Schnittstellen fallen nicht unter diese neuen BMF-Regeln, bieten sie doch ausschließlich schlichte akkumulierende Speicher für erzielten Umsatz, Fahrstrecken und Tourenzahl – die angezeigten Daten sind analog, nicht digital. Besitzer eines solchen älteren Taxameters können nach jetziger Rechtslage auf Jahre nicht zu einer Anschaffung neuer Taxameter gezwungen werden. Das weiß auch die BSU und droht jenen, die an schnittstellenlosen Taxametern festhalten oder sich gar zu einem „Downgrade“ auf solche Modelle entschließen, „… dass die Taxenunternehmen verschärft überprüft werden, die nunmehr Taxameter ohne Einzelaufzeichnungs- oder Datenexportfunktion gezielt beschaffen und im Betrieb einsetzen„.
Bei den künftigen Plausibilitäts-Kontrollen, insbesondere im Zusammenhang mit den alle fünf Jahre notwendigen Verlängerungen der Taxen-Konzessionen, wird die Taxenbehörde auf eine immer breitere Datenbasis bei den Taxen-Umsätzen zurückgreifen können – die Voll-Subventionierung der neuen Fiskaltaxameter ist nämlich an die Bedingung geknüpft, dass die Taxameterdaten in anonymisierter Form für das laufende Hamburger Taxen-Gutachten verwendet werden dürfen.
An dieser Stelle wird es pikant: Die Tourdaten der subventionierten Fiskaltaxameter gehen nach jeder Tour online an die Firma „Tesymex UG“, die sich als künftiger Dienstleister für Taxen-Unternehmer sieht und die online empfangenen Taxameter-Daten als „Trust-Center“ speichert. Wichtigster Gesellschafter von „Tesymex“ ist Thomas Krause (52), dessen Firma „Linne + Krause“ seit Jahren laufend das Hamburger Taxen-Gutachten erstellt. Zwar ist „Tesymex“ als Dienstleistungsfirma für Taxen-Unternehmer konzipiert – mit den Online-Daten von „Tesymex“ sollen sich Taxen-Unternehmer für knapp EUR 30,- (so die aktuelle Internet-Werbung von „Tesymex“) manuelle Schichtzettel ersparen und sorgenfrei Steuererklärungen abgeben sowie Konzessionsneuerteilungen oder -verlängerungen beantragen können. Doch die Ballung aller relevanten Hamburger Taxen-Daten in den beiden Händen von Thomas Krause (einerseits Gutachter-Büro, andererseits Firma „Tesymex“) wird im Hamburger Taxengewerbe mit Unbehagen beobachtet. Zwar kann Krause darauf verweisen, dass Subventionen der staatlichen „Innovationsstiftung Hamburg“ in Höhe von EUR 137.083,- für die Entwicklung von Grundlagen-Techniken für ein Fiskaltaxameter nicht voll ausgeschöpft und durch Eigenmittel in sechststelliger Höhe ergänzt wurden. Im Übrigen seinen die staatlichen Zuschüsse auch voll rückzahlbar. Gleichwohl entsteht bei der Ballung von Know-How und belastbaren Zahlen an einer einzigen Stelle ein Problem – es fehlt an einer qualifizierten Kontroll-Möglichkeit beispielsweise durch Taxi-Unternehmer oder -verbände. Thomas Krause hält solcher Kritik entgegen, dass schon bei der bisherigen Gutachter-Tätigkeit vielerlei Stellen die Arbeit seiner Firma kontrollierten, von der BSU und der Wirtschaftsbehörde über den Landesdatenschutzbeauftragten bis hin zu der Aufsicht durch die Handelskammer in seiner Eigenschaft als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger. Auch sei das Finanzgericht Hamburg in einem Urteil vom September 2010 zu dem Ergebnis gekommen, „die Gutachten des Sachverständigenbüros Linne + Krause über die wirtschaftliche Lage des Hamburger Taxigewerbes (seien) geeignete Schätzungsgrundlagen.„
Den Vorwurf, die personelle Verquickung des Gutachters Krause mit der Firma „Tesymex“ habe ein „Geschmäckle“, halten Thomas Krause und „Tesymex“-Projektleiter Michael Ströh (45) für ungerechtfertigt. Im Gespräch mit TAXI-MAGAZIN verweisen sie darauf, dass sie mit den Geldern der Innovationsstiftung „einen Industriestandard geschaffen“ hätten, der auf dem offenen INSIKA-Verfahren der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) beruhe und folglich auch von anderen Mitbewerbern genutzt werden könnte. Man habe sich vorher mit allen relevanten Herstellern von Taxametern zusammengesetzt, schließlich sei die Firma Hale „mit in das Risiko„ der kostenträchtigen Neuentwicklung gegangen. Aber es sei zu erwarten, dass auch andere Taxameter-Hersteller entsprechende Geräte künftig anbieten würden (wie schon erwähnt, hat die Firma Kienzle zwischenzeitlich ebenfalls ein Fiskaltaxameter für Sommer angekündigt).
Zuerst wird aber für das Modell 06 des Mitentwicklers Hale im Frühsommer die Fiskaltaxameter-Erweiterung kommen, wenn die Prüfungen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt abgeschlossen seien. Die Erweiterung umfasst die neue Signiereinheit, die auf der Basis des PTB-Verfahrens INSIKA („INtegrierte SIcherheitslösung für messwertverarbeitende KAssensysteme“) funktioniert, sowie eine Sendeeinheit. Von der Signiereinheit bekommen die frischen Taxameter-Daten einen „digitalen Stempel“ – und können dann nicht mehr unbemerkt verändert werden. Zwar können nachträglich, als gekennzeichnete Storno-Buchungen, Fehltouren, Abhauer und andere Unannehmlichkeiten aus dem Taxi-Alltag legal umgebucht werden – das unentdeckte Verkleinern oder Löschen von Touren zur Absenkung von steuer- und abgabepflichtigen Umsätzen wird aber verhindert. Künftig können Finanzamt und Taxibehörde mit entsprechender Software solche Manipulationen automatisiert – ohne aufwendige Einzelbelegprüfung – entdecken. Das „Tesymex“-System sendet die Daten jeder einzelnen Tour beim nächsten Einschalten des Taxameters online an den firmeneigenen Server. Es liegt dann in der Verantwortung des Dienstleisters, dass die Daten zusammengeführt und auf redundanten Speichersystemen manipulationssicher verwahrt werden, bis der Unternehmer sie bei Bedarf anfordern und in signierter Form den Behörden aushändigen kann.
Zwei möglichen Umsatzverkürzungs-Methoden ist dabei allerdings nicht unmittelbar auf die Schliche zu kommen: Festpreis-Touren ohne Taxameter-Nutzung (seien es legale wie längere Fahrten über 50 km außerhalb des Pflichtfahrgebietes, seien es Krankenkassen-Touren zum Festpreis oder Botenfahrten, oder die illegalen wie „Sieger“-Fahrten) sind weiterhin möglich, da die Einführung des Fiskaltaxameters nicht von technischen Maßnahmen wie Sitzkontakten flankiert wird. Und die Möglichkeit von alleinfahrenden Einzelunternehmern, im Rahmen der steuerlichen 1%-Regelung Fahrten mit Kunden zu privaten Fahrten umzuwidmen, wird auch nicht ausgehebelt durch die behördliche Ankündigung, dass ab sofort „die digitalen Einzelaufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten … auch für alleinfahrende Einwagenunternehmen (gelten)“ würden. Für beide Verkürzungs-Varianten gilt allerdings: Durch die Verbreiterung (und auch rasantere Aktualisierung) der Tourdaten für das Hamburger Taxen-Gutachten werden die Lücken kleiner, durch die wenig plausible Umsatzdaten schlüpfen können.
Doch die Steuer-Verkürzungen von Taxen-Unternehmern ist nur einer von mehreren „Kriegsschauplätzen“ (Krause), auf denen die Taxenbehörde und das Finanzamt mit dem Fiskaltaxameter Schlachten gewinnen wollen. Im Visier der staatlichen Stellen stehen auch das unberechtigtes Beziehen von Sozialleistungen wie (aufstockende) „Hartz-4“-Gelder oder Wohngeld durch Taxifahrer. Allein hier erhoffen sich die Verantwortlichen künftig Einsparungen für den Hamburger Haushalt, mit denen die Subventionen für die Fiskaltaxameter mehr als wettgemacht werden sollen.
Betrafen solche Tatbestände lange Zeit vorangig den Unternehmen-Typus „Mehrwagen ohne Funk“ und seine angestellten Fahrer, so geraten nun auch verstärkt Mehrwagen-Unternehmer mit Funk in das Fadenkreuz staatlicher Stellen. Bisher kamen Steuerfahndung, Behörden und externe Experten bei großen Taxen-Betrieben allerdings wiederholt an die Grenzen ihrer Möglichkeiten – bei Dutzenden von Kartons mit Unterlagen wie handschriftlichen Schichtzetteln waren Steuerfahndung und BSU-Mitarbeiter häufig schlicht überfordert. Deshalb ist „die Herstellung der Prüffähigkeit von größeren Taxenbetrieben“ (so ein Insider zu TAXI-MAGAZIN) ein zentrales Ziel bei der Einführung von Fiskaltaxametern. Künftig werden Überprüfungen von Taxendaten durch die Behörden-Software nur noch sehr kurze Zeit benötigen – auch bei großen Betrieben mit Dutzenden von Wagen und vielen Fahrern.
Insbesondere bei der heute von den Behörden vermuteten systematischen Verletzung des „Arbeitszeitgesetzes (ArbZG)“, das Arbeitszeiten von regelmäßig höchstens acht Stunden pro Werktag vorschreibt, wird die Taxenbehörde künftig nicht mehr weggucken können, wenn ihr erst elektronische Schichtzettel-Daten vorliegen. Das Geschäftsmodell zahlreicher größerer Taxenbetriebe, egal ob ohne oder mit Funk, durch hohe Arbeitszeiten ihrer angestellten Fahrer höchstmögliche Auslastungen und Umsätze ihrer Taxen zu erreichen, steht zur Disposition. Extrembeispiele wie 30-Stunden-Schichten eines Mitarbeiters eines bekannten Hamburger Taxen- und Busunternehmers könnten künftig die Konzessionen gefährden, sobald die behördliche Taxenaufsicht mit den neuen Taxameter-Daten ihre bisher auf fiskalische Tatbestände verengte Sicht auf das Hamburger Taxengewerbe aufgibt.
Dass die BSU mit sinkenden Taxen-Zahlen nach Einführung des Fiskaltaxameters rechnet, hat sie in ihrem Schreiben vom 5. April 2011 schon durchscheinen lassen: „Die flächendeckende Prüfung … auf Plausibilität und Glaubwürdigkeit hat zu verbesserten Wettbewerbsbedingungen und einer seit dem Jahr 2008 konstanten Taxenzahl von unter 3.500 geführt„. Bei dem nunmehr anziehenden Behörden-Druck zugunsten ehrlicher Umsatzzahlen versuchen die Hamburger Verantwortlichen den Forderungen aus dem Taxengewerbe nach einem Konzessionsstop den Boden zu entziehen. Hamburg gehört, neben Berlin, zu den wenigen Städten in Deutschland, in denen neue Taxenunternehmer ohne teils drastische Zahlungen für die Übernahme einer Konzession starten können. Nicht von ungefähr sind neben fünf Testtaxen in Hamburg seit Oktober 2010 auch in Berlin seit Jahresanfang ebenfalls fünf Testtaxen mit einem Fiskaltaxameter unterwegs. Verschärfung der Plausibilitäts-Prüfungen statt Konzessionsstop scheint das gemeinsame Ziel der Taxenbehörden in den beiden größten deutschen Städten zu sein.
Dass die Einführung von technischer Taxen-Überwachung nicht überall reibungslos vonstatten geht, war schon in Griechenland und New York zu beobachten: Die Einführung eines GPS-Versuch in der größten US-Stadt führte dort zu einem Aufstand der Taxenfahrer, und nach Einführung von Fiskaltaxametern in griechischen Taxen wurden viele Fahrten ganz ohne Taxameter gefahren. In Hamburg haben sich dagegen Vertreter von großen Unternehmer-Verbänden wiederholt für das Fiskaltaxameter ausgesprochen. Wahrscheinlich wird ein Teil der Hamburger Taxen-Unternehmer aus Überzeugung, andere aus der vermuteten Unabänderlichkeit des eingeschlagenen Weges ab Frühsommer auf die voll subventionierten Geräte zurückgreifen. Auf den anderen Teil des Gewerbes, der die mindestens bis 2016 legale Nutzung von älteren Taxameter-Modellen schon wie bisher oder sogar erst künftig in Anspruch nimmt, wird die behördliche Taxenaufsicht angekündigtermaßen einen stärkeren Überwachungs-Druck ausüben.
Gradmesser für die laufende Entwicklung des Hamburger Taxengewerbes wird dann nicht zuletzt die Preis-Entwicklung für alte Taxameter bei eBay sein.
Erstveröffentlichung: 2. Mai 2011
Text: Clemens Grün
Foto: Boy-Ove Dau
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