Mit Vorbild „Hamburger Modell“ Impulse setzen
In Hamburg ging die hiesige „Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation“ zügig gegen die illegalen Taxis von „Wundercar“ vor. Damit attackierte die BWVI ein Geschäftsmodell, das trotz allem „Social“-Klimbim und Greenwashing nichts anderes war als ein Clone von „uberPop“ und Lync. Mit dieser raschen und und zupackenden Art unterscheidet sich die Verkehrsgewerbeaufsicht in Hamburg von nahezu sämtlichen anderen in Deutschland. Wie kam es zu dieser Taxipolitik, die sich in ihrer Wirkungs-Mächtigkeit grundlegend unterscheidet von fast allen anderen Städten und Landkreisen? Und welche Lehren können Aktive für die Gewerbepolitik ziehen, um mehr und nachhaltigere Erfolge zu erzielen?
Vor zehn Jahren waren sich in Hamburg einige Menschen in Politik, Verwaltung und Taxigewerbe einig, dass die herrschenden Zustände in der Taxibranche, welche durch viel Steuerhinterziehung, Schwarzarbeit und illegaler Taxivermietung geprägt waren, nun bekämpft werden müssten. In der Folge wechselte die Leitung der Verkehrsgewerbeaufsicht und wurden neue Mitarbeiter von der Abteilung „Schwarzarbeit“ des Zoll in die Taxenstelle geholt. Zusätzlicher Schwung kam in die ganze Sache, als der Hamburger Taxifahrer Eberhard Engel eine Strafanzeige gegen Senator Freytag stellte, unter dessen politischer Verantwortung die bekannten und kritisierten Zustände nicht abgestellt worden waren. Der gemachte Vorwurf gegen den CDU-Politiker war die Duldung von Steuer- und Abgabenhinterziehung in Millionenhöhe, insbesondere durch illegal arbeitende Taxi-Großbetriebe.
Herausgekommen ist ein seit Jahren gut funktionierendes System von „Plausibilitätsprüfungen“ bei den alle fünf Jahre stattfindenden Konzessionsverlängerungen, im Bedarfsfall auch bei Betriebsprüfungen vor Ort. Dabei werden unterschiedliche Daten wie Schichtzettel, Mitarbeiterabrechnungen (passen Umsätze und Gesamtkilometer zu den angemeldeten Mitarbeitern?), TÜV-Berichte (stimmen die Kilometerangaben mit denen auf den Schichtzetteln überein?) usw. gegeneinander gerechnet. Verwendet werden auch Daten wie Kilometerstände, die bei Taxikontrollen auf der Straße und an Halteposten dokumentiert werden. Taucht in einer „Plausibilitätsprüfung“, welche eine Tabelle mit zahlreichen Kennzahlen ist, ein unplausibler Rechenwert auf (z.B. Verhältnis Leerkilometer zu Gesamtkilometer weicht deutlich vom statitsischen Mittel ab), wird genauer hingeguckt. Dann werden auch schon einmal die dokumentierten Arbeitszeiten gegengecheckt mit den Uhrzeit-Logs der Zufahrtsschranken am Flughafen. Sind die wichtigsten Kennzahlen abwer im grünen Bereich, steht der Konzessionsverlängerung idR. nichts im Weg.
Durch die intensive Beschäftigung mit den tatsächlichen Begebenheiten im Taxigewerbe sind die zuständigen Beamten aber auch sensibilisiert worden für die Sorgen und Nöte der Taxifahrer und -unternehmer. So gehört zum Hamburger Modell auch eine jährliche Tarifanpassung, welche nur ein einziges Mal auf Wunsch des Taxigewerbes ausgesetzt wurde (wg. Wirtschaftskrise in 2009). Auch ist den Behörden-Mitarbeitern die oft prekäre Arbeitssituation sowohl für angestellte als auch zahlreiche selbstständige Taxifahrer immer bewußter geworden. Durch die Bekämpfung eines unfairen Wettbewerbs insbesondere durch unsauber arbeitende Mehrwagenbetriebe tut die behördliche Taxenstelle ihren Teil für eine Gesundung des Taxigewerbes, von der wir in Hamburg etwas weniger weit entfernt sind als Kollegen anderswo. Allerdings sind zahlreiche gewerbepolitische Baustellen auf der Bundes- oder sogar der europäischen Ebene angesiedelt und also nicht lokal zu lösen.
Durch die profunde Kenntnis des Marktgeschehens und auch der Rechtslage waren die Zuständigen in der Verkehrsgewerbeaufsicht schneller zu sensibilisieren für die zahlreichen Rechtsverstöße von Wundercar, Uber & Co. . Hinzu kommt, dass die fünf langjährigen Taxiverbände, von den beiden großen Taxen-Union und LHT bis runter zum kleinen, aber regen HTV (des Autors gewerbepolitische Heimat) seit mehr als zwei Jahren gegenüber Behörde, Politik und Öffentlichkeit zumeist mit einer Stimme sprechen, so dass sich hier, bei allen Sicht- und Interessen-Unterschieden, Vertrauen entwickeln konnte zwischen den Behördlern und den Taxlern.
So kann es auch andernorts gehen, um zuerst im gemeinsamen Kampf gegen externe illegale Konkurrenz erfolgreich zu sein. Hat man hier erst einmal eine gemeinsame Basis gefunden, fällt es später auch leichter, bei Themen wie Auskömmlichkeit (z.B. gemeinsame Tarifanträge) und Arbeitsbedingungen (z.B. Quantität und Qualität der Taxi-Halteplätze) gemeinsam zu agieren.
Arbeitet man erst einmal im lokalen Taxigewerbe zusammen und hat auch auf Zuverlässigkeit basierende Kontakte in die Verwaltung und Politik geknüpft, kann man dann vor Ort schneller reagieren, wenn z.B. durchgeknallte Multimillionäre meinen, sie könnten aus einer Hungerleiderbranche wie der innerstädtischen Personenbeförderungen mal easy 20% Vermittlungsprovisionen herausziehen. Die Politik lässt sich locken, wenn man z.B. auf folgendes Ergebnis des „Hamburger Modells“ hinweist: Durch die Gesundung einer Reihe von Betrieben nach der Ausschaltung zahlreicher illegal und unfair agierender Taxiunternehmen konnte die Steuerquote aus dem Personenbeförderungsgewerbe in den letzten Jahren nahezu verdoppelt werden. Eine gute, eine zupackende Taxipolitik wirkt sich nicht nur positiv für die Branche aus, sondern auch für die Fahrgäste (in Hamburg: Abnahme an Beschwerden, Verjüngung der Fahrzeugflotte) und die Gesellschaft insgesamt (mehr Steuereinnahmen, mehr reguläre Arbeitsplätze).
Aber manchmal muss man anfangs, z.B. mit einer Strafanzeige wegen der Beihilfe zur Steuerhinterziehung im Amt, nachhelfen, wenn gute Worte alleine nicht reichen. Dabei können Infos wie jene helfen, die ein Finanzrichter über die „staatliche Untätigkeit bei Steuerhinterziehung im Taxigewerbe“ zusammengetragen hat. Wenn man erfolgreich gegen illegale Konkurrenz von Uber & Co. agieren will, ist es hilfreich, wenn der eigene Stall sauber gefegt wurde.
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