Der Weg hin zu einer „App der Taxifahrer“

Das Ziel ist klar: Wir brauchen eine eigene Vermittlungstechnik und eigene Apps, mit der wir unser Geschäft selber in die Hand nehmen können. Taxi-Apps gibt es weltweit mittlerweile Dutzende, die Technik ist bei Weitem nicht mehr so neu wie 2010, als mytaxi als einer der ersten weltweit mit einer Taxi-App gestartet war. Es waren anfangs Dutzende, dann Hunderte Taxifahrer, die den Fahrgästen in den ersten Monaten und Jahren die neue Technik vorgestellt und gezeigt haben. Mit unserem Einsatz ist mytaxi groß geworden, und leider wurde aus der Größe ein selbstzerstörerischer Größenwahn. Natürlich schreien die, die das „schon immer gewusst“ haben, nun besonders laut. Aber dass eine Firma ihr wichtigstes Betriebskapital, nämlich die Sympathie und das Vertrauen von Tausenden Taxifahrern und Vertragspartnern, mit einer einzigen eMail zerstören könnte, damit konnte kein Normaldenkender rechnen. Ich jedenfalls werde mir auch in Zukunft nicht angewöhnen, anderen Harakiri-Absichten zu unterstellen.

 

Werben im Taxi – diesmal für die eigene App

Fakt ist: Das, was wir für mytaxi taten, nämlich erfolgreich Kunden werben, das können wir auch für uns selber tun, für unsere eigene „App der Taxifahrer“. Und wir können aus so manchem Versäumnis und Irrweg von mytaxi unsere Lehren ziehen und eine (noch) bessere App auf den Markt bringen. Genauer gesagt: Zwei Apps – eine für die Fahrgäste und eine für die Fahrer. Mit Features, Hilfen und Details, die bei mytaxi auf der Strecke geblieben sind, versprochen, aber niemals realisiert wurden. Mytaxi ist, das werden wir zeigen, schlagbar. Zuerst bei den Privatkunden, dann bei den lokalen Geschäften und Praxen und Hotels, schließlich auch bei bundesweit agierenden Geschäfts- und Firmenkunden. Geben wir uns doch auch vier Jahre Zeit – möglicherweise schaffen wir in der Zeit noch mehr, als es mytaxi in der gleichen Zeit gelang.

 

Wir haben jetzt immerhin den Vorteil, dass wir vielen Kunden nicht mehr „Taxi-App“ an sich erklären müssen. Wir können uns konzentrieren auf die Dinge, die wir besser machen wollen und können. Wir sind die Personen, die die Kunden direkt ansprechen können, und die Kunden mit unserer Arbeit überzeugen können. Wir sind keine gesichtslose Marke, sondern täglich gelebtes Taxigeschäft. Wir haben die potentiellen Taxibesteller für zehn bis zwanzig Minuten für eine exklusive Kunden-Akquise an Bord. Machen wir unsere Arbeit gut, kriegen wir mehr und mehr Kunden auf unsere Seite für eine „App der Taxifahrer“.

 

Eine bundesweite Kooperation

In vielen Gesprächen mit anderen Kollegen entstand in den letzten Wochen ein stimmiges Bild: Lokale Initiativen, z.B. in Hamburg, in Berlin und in München, nutzen künftig gemeinsam eine neue App-Technik, um sich lokal eigenes Geschäft aufzubauen. Gleichzeitig sorgen wir gemeinsam dafür, dass Geschäftskunden, die heute in München und morgen in Hamburg ein Taxi brauchen, solche mit der gleichen App bestellen können. Taxiunternehmer bezahlen monatlich für die Technik einen klitzekleinen Betrag (im Verhältnis zu den gängigen Zentralenpreisen) und nutzen die Möglichkeiten, eigene Kundschaft zu binden und Touren mit anderen zu tauschen (man ist ja nicht immer am richtigen Platz in der Stadt, wenn ein Kunde ruft). Alles geht einfach und unkompliziert, weil automatisch. Wenn in größeren Städten einige Kollegen zusätzlich zur Bestell-App Kunden auch mit einer eigenen Telefonnummer binden wollen, ist das ebenfalls kein Problem: Entweder aus dem Auto heraus (ein oder zwei Kollegen aus dem Team stehen sicherlich am Posten) oder, bei größeren Kooperationen zumindest in den Spitzenzeiten, mit einem kleinen Zentralenplatz in einem Büro oder notfalls auch am Schreibtisch zu Hause werden die Touren in eine sog. „Webmaske“ eingetippt. Noch besser: Wurde vom Kunden von der gleichen Telefonnummer schon einmal angerufen, ploppt der von der ersten Bestellung schon vorhandene Kunden-Datensatz automatisch auf, und mit einem Klick werden so die meisten Telefon-Touren vermittelt. Geht, wie schon erwähnt, auch aus dem Taxi heraus – binnen Sekunden. Spart zumindest kleineren Kooperationen und Taxiunternehmen das teure Disponenten-Personal. Mit der Zeit gewöhnt man immer mehr Kunden an die Bestell-App und kann eine steigende Menge an Touren mit einer sinkenden Menge an Telefonaten vermitteln. App-Bestellungen gehen vollautomatisch und verursachen keine weiteren Personalkosten mehr.

 

Diese Vermittlungs-Technik mit Apps und „Webmasken“ ist kein Hexenwerk mehr, sie wird mittlerweile von einer Reihe von Firmen für überschaubares Geld angeboten. Finanziert man die Technik zusammen in einem größeren Verbund, über Städtegrenzen hinweg, dann sind es pro Fahrer und Wagen nicht mehr als ein paar Euro pro Monat. Die Touren, die man über diese Technik in eigene und kooperierende Taxen vermittelt, kosten dann nichts extra. Es ist wie beim Telefonieren: Hat man einen Flatrate-Vertrag für Handy oder Internet, ist es der Technik egal, ob man sie einmal, zehnmal oder hundertmal am Tag benutzt. Bezahlt ist bezahlt – und teure „Sesselfurzer“ brauchen Taxiunternehmer und -fahrer mit der neuen Technik nun wirklich nicht mehr mit durchzufüttern. Das Geld bleibt künftig im Auto und im Taxibetrieb.

 

Gemeinschaftliche Strukturen statt privater Geschäftemacherei

Aber wie verhindert man, dass sich irgendwer irgendwann eine solche Technik, in der nach einigen Jahren das ganze Geschäft, also vor allen Dingen die Kundendaten und -Adressen stecken, unter den Nagel reißt? Indem man von Anfang an verhindert, dass die Apps und die anderen Bestandteile der Vermittlungstechnik Einzelnen gehören oder nur Wenige darüber verfügen. Es bedarf von Anfang an einer Struktur, die aus der Tourvermittlung eine „gewerbeeigene Tourvermittlung“ macht. Viele Zentralen in Deutschland, gerade in Städten, haben deswegen die Struktur eines Vereins oder einer Genossenschaft. Wer sich mit der Geschichte von Genossenschaften beschäftigt: Kommt alles aus dem Vereinsrecht.

 

Aber wie macht man es am Besten konkret? Ich schlage folgendes pragmatische Vorgehen vor: Es wird ein bundesweiter Verein gebildet, der die Technik allen Interessierten zur Verfügung stellt. Wie immer gibt es am Anfang ein paar besonders Aktive, die das Ganze zum Laufen bringen – in meinem Entwurf für eine Satzung (siehe PDF unten) „Gründungsmitglieder“ genannt. Sie sind die einzigen Menschen, die dieser Verein jemals an stimmberechtigten Mitgliedern haben wird. Denn die „Ordentlichen Mitglieder“, die nach und nach dazukommen (und jeweils drei Stimmen haben gegenüber den Gründungsmitgliedern mit je nur einer Stimme) sind die jeweiligen zuerst gegründeten „Regionalvereine“ vor Ort. Die setzen sich aus Taxiunternehmern und -fahrern zusammen, die in dem jeweiligen „Pflichtgebiet“, also den Landkreisen oder kreisfreien Städten, Mitglied im Regionalverein werden.

 

Mit dem Mitgliedsbeitrag zum Regionalverein sind die Kosten für die Technik-Nutzung und ein paar elementare Dinge wie Flyer abgegolten. Dinge wie Quittungsblöcke werden zum Selbstkostenpreis abgegeben. Extra-Preise für Touren oben drauf gibt es nicht. Sobald es sieben funktionierende Regionalvereine gibt, werden die „Gründungsmitglieder“ zu „Ehrenmitgliedern“ (wenn nicht im Einzelfall etwas dagegen spricht). Fortan haben dann in erster Linie die Regionalvereine im Bundesverein das Sagen, die „Ehrenmitgliedern“ mit ihren Einzelstimmen nehmen dann noch eine Weile die Rolle von Beratern und, wenn notwendig, des Vereins-Gewissens wahr, bis sich alles eingerenkt und arrangiert hat.

 

Die fünf Grundsätze

Bei der alltäglichen Praxis sollten die „5 Grundsätze“ immer beachtet werden, die ich im Artikel „Welchen Anforderungen muss eine neue, eine „gewerbeeigene“ Tourvermittlung genügen?vorgestellt habe. Hier noch einmal in Kurzform:

 

1. Freier Zugang zur Vermittlung

2. Kooperation von Gleichen

3. Einheit in der Vielfalt

4. Jeder behält Kontrolle über eigenes Geschäft

5. Absenkung von Vermittlungskosten

 

Ausführlicher wird es in dem erwähnten Artikel beschrieben. Wenn wir uns gemeinsam an diese fünf Grundsätze halten, dann lassen sich auch möglicherweise entstehende Konflikte schnell und für alle zufriedenstellend lösen. Bisher hatte jedenfalls niemand öffentlich etwas gegen diese fünf  Grundsätze einzuwenden.

 

Eine ganz wichtige Konsequenz aus diesen fünf Grundsätze ist: Der Regionalverein kümmert sich nur um die Technik und, stellvertretend für den Bundesverein, um den gemeinsamen Markenauftritt vor Ort. Das heißt auch: Das Tourengeschäft regeln die Mitglieder selbst. Jedes der Mitglieder kann sich, alleine oder mit anderen Mitgliedern, mittels der Apps und der Vermittlungstechnik eigenes Geschäft unter eigenem Namen aufbauen. Durch die gemeinsame Technik können entstehende Tourenüberhänge (man ist eben nicht immer am richtigen Platz zur richtigen Zeit) weitergegeben werden an andere Mitglieder. Ob und welche „Zentralen“ sich innerhalb des Regionalvereins bilden, entscheiden die Mitglieder für sich alleine. Der Verein kann auch mehrheitlich entscheiden, dass es ein Zentrale mit seinem Namen geben kann ([bundesweiter Name] plus Stadt). Aber hier hätte ausnahmslos jeder Mitglied das Recht zur Teilnahme und darf sich trotzdem parallel auch noch eigenes Geschäft aufbauen. Weil: Man ist selbstständiger Unternehmer, kein Leibeigener! Es wird nur wenige Grenzen für das eigene Tun geben, und die haben fast alle was mit Unkollegialität zu tun. Kunden- und Tourenklau wäre eine solche Unkollegialität.

 

Es gibt viele Konsequenzen aus den fünf genannten Grundsätzen. Viele bedürfen in der nächsten Zeit der Erläuterung, einige werden nach den Diskussionen auch konkretisiert oder abgeändert werden. Aber nun liegt zumindest einmal ein Vorschlag auf dem Tisch, über den man sich Gedanken machen und diskutieren kann. Konstruktive Gegenvorschläge werden gerne gesehen, destruktive Kritik von jenen, die sowieso alles besser wissen, werden dagegen, um es mit Herbert Wehner zu sagen, „nicht einmal ignoriert“.

 

Technische Eckpunkte auf den Weg gebracht

Während wir uns Gedanken machen über unsere Ziele und unsere künftigen Strukturen, ist auch anderes Wichtiges auf den Weg gebracht: Frisch wurde ein fünfzehnseitiges Schreiben mit zahlreichen technischen Spezifikationen für die verschiedenen Apps und andere Teile der Vermittlungstechnik an mehrere Software-Anbieter geschickt. Denn es gibt eine Reihe von Programmier-Firmen, die sich seit einiger Zeit in diesem Bereich tummeln und schon einiges vorzuweisen haben. In den nächsten Wochen wird geprüft werden, auf welcher der vorhandenen Techniken wir unsere neuen Apps aufsetzen und von da aus weiter entwickeln können. Weshalb ich ganz zuversichtlich bin, dass es noch im Frühjahr erste Tests geben wird, zum Sommer wir dann erste Probebetriebe starten können und spätestens zum kommenden Herbstgeschäft hin alles Wichtige steht. Bis dahin haben wir auch alle rechtlichen und finanziellen Dinge geregelt und für ausreichend Werbung und Marketing gesorgt.

 

Mir hat ein Satz eines mytaxi-Dissidenten, neulich in einem Taxifahrer-Forum geschrieben, gut gefallen. Deshalb will ich diesen Satz zum Schluss meines (ganz bestimmt nicht vollständigen, aber hoffentlich für viele trotzdem nützlichen) Zwischenberichtes wiedergeben. Es ist ein alter Spontispruch und eine Abwandlung eines alten Werbeslogans aus den 80er Jahren. Er lautet: „Es gibt viele zu packen, tun wir es ihnen an.

 

 

Link: 1. Satzungs-Entwurf des Dachvereins

(Falscher Link korrigiert, Danke für Hinweis)

 

 

Esrtveröffentlichung: 27. Februar 2014

 

Foto: Erich Westendarp  / pixelio.de