Umfrage: Keine Mehrheit für Taxi-Liberalisierung

YouGov, „ein börsennotiertes britisches Markt- und Meinungsforschungsinstitut“ (schreibt Wikipedia,  Link 1), hat in Deutschland 1104 Personen befragt, wie sie die Taxipreise fänden und ob sie eine Liberalisierung des Taximarktes befürworten würden. Ich finde die Antworten (Link 2) bemerkenswert, auch bemerkenswert klug: Einerseits findet eine Mehrheit von 57% die Taxipreise zu hoch, was aus der Sicht von weniger einkommensstarken Bevölkerungsteilen verständlich ist. Verständlich, obwohl faktisch die Einnahmen der Taxibetriebe in den allermeisten deutschen Großstädten für eine Auskömmlichkeit in Legalität immer noch zu niedrig sind. Aber obwohl sich die Mehrheit der Befragten niedrigere Preise wünschen würde, sind nur 28% der Meinung, der Taximarkt sollte liberalisiert werden, von den Jüngeren gar nur jeder Fünfte.

Die gegenüber einer Liberalisierung skeptische Mehrheit liegt richtig. Schon 2003 hat eine Studie (Link 3) aus der norwegischen Hauptstadt Oslo die Auswirkungen der dortigen, damaligen Taxi-Liberalisierung untersucht. Kurz zusammengefasst: Preise rauf, Qualität runter. Wenn neue Player des Plattform-Kapitalismus (Link 4)  wie Uber bis zu 20 Prozent mitverdienen wollen, dann wird es eben (noch) teurer. Alternativ müsste man, bei gleich bleibenden Endkunden-Preisen, die Qualität senken. Oder glaubt irgendjemand ernsthaft, in diesem Niedriglohngewerbe wäre noch ordentlich Luft drin, um Leute wie die Uber-Investoren mit ihren Rendite-Erwartungen im Milliarden-Bereich mit durchfüttern zu können?

Bleibt die Frage, wie wir potentielle neue Kunden ohne großes Bankkonto unsere Dienstleistung künftig anbieten, sprich: preiswerter anbieten können. Geht das überhaupt? Ich meine: ja. Wobei ich im Folgenden über den (groß-)städtischen Taximarkt schreibe, der völlig anders strukturiert ist als der ländliche. Ich sehe kurz- und mittelfristig zwei Maßnahmen, die günstigere Taxipreise zur Folge haben könnten:

  • Ein Standard-Taxitarif, der kalkuliert wird auf der Basis preiswerter und sparsamer Fahrzeuge. Wir können mit Fahrzeugen von Dacia bis VW-Touran gegenüber den häufigen E-Klassen, welche von Kollegen gerne auch mit teurer Vollausstattung geordert werden, sowohl Anschaffungs- als auch variable Kosten senken, teils deutlich. Für bessere, teurere Wagen, aber auch für zusätzliche Services könnte (nicht: müsste) ein Aufschlag von 10%, 20% oder 30% erhoben werden. Mehr-zahlen für mehr-bekommen ist  überall sonst normal, warum nicht auch bei uns? Der Standard-Tarif dürfte, wie bisher, nicht unterboten werden – aber eine Preisdifferenzierung nach oben wäre fortan erlaubt. Wer E-Klasse mit allem Drum-und-Dran ordern möchte, kann das künftig tun – mit Aufschlag. Die anderen bekommen (etwas) günstigere Fahrten in günstigeren Wagen.
  • Warum verkaufen wir unsere Dienstleistung nur als Komplett-Fahrzeug? Mit Sammeltaxis würde die Dienstleistung per Sitz angeboten. Es gibt in den meisten größeren Städten Strecken und Zeiten, wo gerade jüngere und andere preissensitive Kundschaft mit einem günstigeren Preis in einem Sammeltaxi zusätzlich angelockt werden könnte. Kundschaft, die bereit wäre, für einen günstigeren Fahrpreis eine (etwas) längere Wartezeit und eine (etwas) längere Fahrzeit (für das Ein- und Aussteigen weiterer Fahrgäste) in Kauf zu nehmen. Denn auch Sammeltaxis können gegenüber den städtischen Bussen und Bahnen mit ihren Stärken glänzen, z.B. kürzere Fahrzeiten ohne Umsteigen oder auch ein höheres Sicherheitsgefühl. Von der Sitzplatz-Garantie ganz zu schweigen. Sammeltaxi ginge auch gut für Fahrten, für die die Krankenkassen weniger zahlen wollen. Und plötzlich könnten wir selbst in den Markt mit Shuttle-Services (Veranstaltungen, Feiern usw.) einsteigen, den wir bisher den Mietwagen-Unternehmern überlassen müssen.

Längerfristig kann Taxi erheblich preiswerter werden. Die dazu nötige Roboter- statt Menschen-Steuerung liegt aber mindestens 20 und ganz bestimmt nicht fünf Jahre in der Zukunft (weil: Städte mit durcheinander laufenden Menschen sowie Regen, Schnee und Nebel sind für selbstfahrende Autos etwas dramatisch anderes als Fahrten auf sonnige Highways in Kalifornien). Nichts also, mit dem wir heute schon planen könnten oder müssten.

Was mich besonders gefreut hat bei den Ergebnissen der Umfrage von YouGov: Dass die Jungen, die sich als modern Verstehenden, die App-affinen, dass sich diese besonders stark gegen eine Liberalisierung des Taximarktes aussprechen. Das sind die, welche in städtischen Milieus zunehmend weniger Interesse an einem eigenen Auto samt Parksuchverkehr und laufenden Knöllchen haben und die stattdessen einen Mix aus Bus&Bahn, Fahrrad, Carsharing und natürlich auch Taxi bevorzugen. Aus dieser Klientel speist sich ein wichtiger Teil unser Kundschaft von morgen und übermorgen. Denen sollten wir aber auch neue, attraktive Angebote machen – siehe Preisdifferenzierung, siehe Sammeltaxis. Damit diese uns Taxlern auch in Zukunft gewogen bleiben. Und wir insgesamt mehr Geschäft machen können.

 

Quellen:

  1. Wikipedie-Eintrag zu YouGov
  2. Umfrageergebnisse auf yougov.de
  3. Osloer Studie zu Ergebnissen der dortigen Taxi-Liberalisierung (2003)
  4. Publizist Sascha Lobo auf Spiegel Online über Plattform-Kapitalismus

 

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