DEBATTE: Hamburger Modell 2.0
Es war eine bemerkenswerte Veranstaltung, die am letzten Freitag in der Hamburger „Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation“ (BWVI) stattfand: Die Verkehrsgewerbeaufsicht (zuständig auch für die behördliche Taxenaufsicht und damit für die Erteilung und Verlängerung von Taxenkonzessionen) und das in der „Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz“ angesiedelte „Amt für Arbeitsschutz“ (AfA) diskutierten über die kommenden Essentials nicht mit den vollständig erschienenen Gewerbevertretern, sie deklarierten: Das Fahrpersonalgesetz (FPersG), insbesondere das dortige Verbot von leistungsbezogenen Provisionslöhnen, sog. Akkordlöhnen (§ 3), gilt auch für alle angestellten Taxifahrer. Basics des Arbeitnehmerschutzes wie
– die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes (Standardschicht im ArbZG : 8 Stunden!) samt der im Gesetz enthaltenen, glasklaren Pausen-Regelungen
– die vollständige Gewährung des gesetzlichen bezahlten Urlaubs von mind. 24 Tagen im Jahr
– die vielfach nicht gewährten Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall
werden bei künftigen Konzessionsverlängerungen und Kontrollen verstärkt geprüft, Nichteinhaltungen können dann schlimmstenfalls auch zum Verlust von Konzessionen führen.
Hier hat die behördliche Taxenaufsicht einen vollständigen Schwenk vollzogen, und der Leiter der hiesigen Verkehrsaufsicht Ulrich Werner hatte auf der erwähnten Veranstaltung die Größe, dieses öffentlich einzuräumen. Noch im Mai 2011 hatte Werner bei einem Gespräch mit den beiden TAXI-MAGAZIN.DE-Redakteuren Sven Althorn und Clemens Grün eine Verknüpfung des Themas Konzessionsverlängerung mit dem Thema Arbeitsschutz abgelehnt. Behördenintern allerdings begannen in 2011 hierzu Diskussionen, an denen auch die einflussreichen Behördenmitarbeiter Dr. Glitza und Ritter beteiligt waren. Denen waren weder Hinweise im Taxigutachten von Linne & Krause auf Schichtzeiten bis zu 14 Stunden noch die Ergebnisse von Straßen- und Halteplatz-Kontrollen mit teils übermüdeten Taxifahrern entgangen. Zustände, die an frühkapitalistische Zeiten des 19. Jahrhunderts erinnern und keinesfalls den im 21. Jahrhundert gültigen Arbeitsschutz-Regelungen entsprechen. Der immer wieder gut analysierende Taxi-Kollege Eberhard Engel verwandte schon länger das Wort vom „Tagelöhner“, wenn er von der sozialen Situation von Taxifahrern sprach. Spätestens durch die zum Ende des letzten Jahres im Napp-Forum hoch kochende Diskussion, insbesondere befeuert durch zahlreiche Beiträge des sich durch Gesetze, Verordnungen und dem Tarifrecht durchwühlenden Rainer Schmidt (alias Habenichts), war der Damm gebrochen.
Das Taxengewerbe wird neu geordnet
Allein schon die Anwendung der einschlägigen Schutzbestimmungen für angestellte Taxifahrer ist geeignet, starke Veränderungen im Taxigewerbe auszulösen. Wenn dieses jetzt zusätzlich durch eine vollständige Neuordnung der Entlohnung von großstädtischen Taxifahrern ergänzt wird (der ländliche Raum kann hier ausgeklammert werden, weil dort das Gewerbe komplett anders organisiert ist), dann bleibt im deutschen Taxengewerbe kaum ein Stein auf dem anderen. Zuerst trifft es die Mehrwagen-Unternehmer (MWUs) mit zahlreichen angestellten Taxifahrern, und hier insbesondere die Vielwagen-Unternehmer, welche nach Beobachtungen des „Taxi Heute“-Chefredakteurs Jürgen Hartmann selten wirklich Taxi-Unternehmer und vielfach eher nur Fuhrpark-Manager sind. Fehlt eine vom Unternehmer akquirierte Fahrkundschaft, wird durch die heute üblichen Provision-Löhne das unternehmerische Risiko von Auslastung und Einnahmen auf die angestellten Taxifahrer verlagert.
Dass das anders geht, beweisen gut laufende Zentralen-Wagen wie die „Hansa“-211er oder auch Wagen mit angestellten Fahrern, die bei gut florierenden Stadtteilzentralen wie den „Alstertalern“ oder den „Blankenesern“ fahren. Hier haben die Taxiunternehmer durch den Aufbau von tourenstarken Zentralen selbst für eine überdurchschnittliche Wagen-Auslastung gesorgt und müssen die jetzigen Veränderungen (Festlohn) und auch kommende Veränderungen (Branchen-Mindestlohn) nicht fürchten. Andere, wie Hamburgs größter Taxi-Unternehmer Uwe Stambula dagegen schon: Stambula beklagte sich bei der Behörden-Veranstaltung, dass er mit seinen Wagen nicht bei „Hansa“ rein käme, weder als 211er noch in die Reserflotte der 311er. Die logische Konsequenz, dass, wenn andere (z.B. „Hansa“ ) ihren Touren-Fundus nicht mit einem teilen mögen, man diesen gut laufenden Zentralen durch den Aufbau einer neuen Zentrale Konkurrenz am Kundenmarkt begegnen muss, mag er indes (bisher) nicht (voll-) ziehen. Doch der ökonomische Druck wird ihn und andere Vielwagen-Unternehmer absehbar nur noch vor die Wahl stellen, entweder die Verantwortung für die Akquise von Tourengeschäft zu übernehmen und dadurch die wirtschaftliche Grundlage für zu zahlende feste Fahrerlöhne zu schaffen – oder das Taxigeschäft deutlich herunter zu fahren und zu begrenzen auf jene Fahrer und Teams, die auch ohne unternehmerische Hilfe immer genügend Touren selbst besorgen. Viele solcher angestellten Fahrer werden das aber nicht sein, weil ein Gros solcher Fahrer über kurz oder lang in die Selbstständigkeit, alleine oder mit einem Partner, wechseln werden. Und dabei dann selbst die Unternehmer-Rendite einstreichen anstatt abzugeben.
Anleitung und Kontrolle des Fahrpersonals
Stambula – der auf der erwähnten Behörden-Veranstaltung einer der wenigen schlauen Unternehmervertreter war – gibt dabei ein gutes Beispiel ab, was sich in Zukunft im Hinblick auf die Unternehmensführung ändern wird, ändern muss, will der Unternehmer nicht spätestens bei der nächsten Konzessionsverlängerung scheitern: Gemeint ist die Anleitung, Führung und nicht zuletzt Kontrolle von angestelltem Personal. Stambula selbst hatte vor Jahren eine betriebseigene Zentrale mit Eigengeschäft. Doch durch das mangelnde Mitziehen des eigenen Fahrpersonals wurden Kunden wie die Fa. Beiersdorf so unzureichend bedient, dass dort mittlerweile „Hansa“-Wagen vorfahren. Dabei hat Stambula, durch flächiges Einbauen von geeigneter Technik wie GPS-Ortung, sehr wohl die Möglichkeit, das Fahrverhalten seiner Mitarbeiter zu analysieren und ggf. zu steuern. Andere, wie die „Hansa“-Unternehmer, können nicht nur die Ortsdaten, sondern auch den aktuellen Status (z.B. besetzt oder in Anfahrt zu einer Tour) per Internet-Zugang erfahren. Daten, die geeignet sind, die Effizienz von Mitarbeitern zu analysieren – Daten, die auch geeignet sind, Effizienz-Verbesserung bei solchen Taxifahrern zu erreichen, die bisher selbst dann gerne zu ihrem heimeligen Stammposten zurückfahren, wenn das völlig unwirtschaftlich ist.
Der Einwand vom Leiter der Verkehrsgewerbeaufsicht Werner, solche Mitarbeiter-Überwachungen seien schon im Hinblick auf den Datenschutz abzulehnen, sticht nicht. Wenn man die Unternehmer – zu Recht – künftig zu Festlöhnen sowie der Einhaltung von Arbeitnehmerschutz-Gesetzen zwingen will, dann wird man ihnen nicht verbieten können, für eine höhere Arbeits-Effizienz bei den von ihnen bezahlten Mitarbeiter Sorge tragen zu können. Da schon aus rechtlichen und praktischen Gründen Taxi-Arbeitgeber ihre Mitarbeiter nicht direkt bei der Berufsausübung beobachten können (in anderen Branchen stellt sich der Arbeitgeber einfach mal daneben, was im Taxi schlechterdings nicht geht), müssen maßvolle Möglichkeiten einer technischen Kontrolle möglich sein. Die Taxifahrer-Romantik aus Selbstbestimmtheit und Freibeutertum („Fette Beute“) wird künftig jenen vorbehalten bleiben, die dem Rhythmus der Stadt folgen und ohne großes Zutun des Arbeitgebers gute Umsätze fahren. Den anderen, der Mehrheit, werden ihre Jobs nur erhalten bleiben können, wenn es den Unternehmern möglich sein wird, beispielsweise die zuverlässige Bedienung von Eigengeschäft durchzusetzen. Wenn er dazu GPS-Daten aus seinem Fahrzeug verwendet, nutzt er dazu lediglich seine eigenen und dazu legal erzeugten Daten. Dass diese GPS-Daten legal erzeugt sind, beweist das Verhalten der Verkehrs-Aufsicht, die solche GPS-Daten vermehrt für eigene Bußgeld-Verfahren nutzt, um z.B. illegale Bereitstellungen von „Hansa“-Fahrzeugen rund um den Hamburger Flughafen zu dokumentieren und zu ahnden. Würde es sich bei diesen GPS-Daten um eine illegale Erzeugung oder Nutzung von Daten handeln, würden diese von der Behörde sicherlich nicht selbst verwendet, sondern unterbunden werden.
Alternative: Aufbau von Tourengeschäft oder Scheitern
Der Zugang zu Eigengeschäft dürfte für jemandem wie Stambula möglich sein, welcher über ein professionell organisiertes Geschäft und über fundierte Marktkenntnisse verfügt. Zahlreiche MWUs gehören aber eher in die Kategorie „Hinterhof“, diese ersetzen das Professionelle und Kenntnisreiche häufig durch Energie und Kampfbereitschaft, nicht selten ergänzt durch Skrupellosigkeit. Vielen dieser Taxenbetreibern bleibt derzeit nur der Zugang zu der Großzentrale am Grindelhof, welche aber nicht durch Touren-Reichtum glänzt. Solange dem Zentralen-Chef Möller die zahlreichen Monatsbeiträge der ohne Funk-Alternative dastehenden „Edelgraupen“ und die von ihnen zahlreich erzeugten 4%-Card&Cash-Beträge stetige hohe Einnahmen bei überschaubaren Ausgaben für Kundengewinnung und Tourvermittlung beschert, wird das dortige Geschäft für die zahlreichen angeschlossenen Mehr- und Vielwagen-Unternehmer zu gering bleiben, um die künftig geforderten festen Personalausgaben zahlen zu können. Die Kündigung von Jürgen Kruse hat das Bild des schlafenden Riesen „Autoruf/Taxiruf“ eher bestätigt – wer, wie Möller, nicht einmal beim Alleinstellungsmerkmal „Rufsäulen“ konsequent modernisiert und revitalisiert (in Berlin immerhin ca. 8% des gesamten Touren-Aufkommens), dem traut kaum einer zu, die Grindelhofer zu einer ernsthaften „Hansa“-Konkurrenz wachsen zu lassen. Was aber nötig wäre, um den eigenen Bestand auch längerfristig zu sichern.
Es gibt andere Bewegungen im Markt, die zeigen, dass sich Kundenbestellungen sehr wohl vom örtlichen Zentralen-Schwergewicht (in Hamburg: „Hansa“) wegbewegen lassen. Da ist insbesondere als neuer, deutlich anwachsender Tourvermittlungs-Konkurrent „myTaxi“ zu nennen. Hinzu kommen andere, ebenfalls App-basierte Ansätze, mit denen Gruppen von Taxiunternehmern untereinander selbst generiertes Touren-Geschäft tauschen und bei drohender Nichtbedienung durch die Reserveflotte „myTaxi“ die Tour fahren lassen können. Es wird nicht zuletzt an der Weitsicht der „myTaxi“-Macher liegen, ob sie in absehbarer Zeit selbst Funktionalitäten zur Tourenweitergabe und zur Sicherung der Vermittlungs-Qualität einbauen, oder ob sie Platz lassen für Entwicklungen anderer, die dann später allerdings auch in „myTaxi“-Gefilden wildern könnten. Insgesamt sollte der Erfolg der „myTaxi“-Tourvermittlung professionelle Groß-Unternehmer wie Stambula, Hoffmann & Co. ermuntern können, doch den Mut zu fassen, eine eigenen Tour-Akquise und -Vermittlung zu starten und mit „Hansa“ und „Autoruf/Taxiruf“ in den Wettbewerb insbesondere um die Firmenkundschaft zu treten. Es fehlt diesen Viel-Wagen-Unternehmern auch schlicht an Alternativen, wollen sie über kurz oder länger nicht den Laden dicht machen müssen.
Interessant wird sein, ob zukunftsträchtige Zentralen-Konzepte für speziellere Kundenschichten ans Laufen kommen. Im Alternativ-Milieu hatte einst „das taxi“ hiermit durchaus vorzeigbare Erfolge aufzuweisen. Ernstzunehmend sind die seit mehr als einem Jahr im Hintergrund scharrenden „Hansa“-Schwergewichte wie Robert Deifts, Matthias von Staden und andere mit ihrem „Prima Clima“-Konzept einer Umwelttaxi-Zentrale – derzeit lassen sie ihre eigenen Touren beim Grindelhof-Konkurrenten mitvermitteln. Bei „Prima Clima“ könnten auch Teile der sich zunehmend auflösenden DT-Flotte Unterschlupf finden, voran die ca. 18-Erdgas-Tourane der DT-Chefin Christiane Moje-Nolte. Ob die rührigen Macher von „City-Taxi“, die sich derzeit um eine zunehmende Professionalisierung bemühen, bei den sich verändernden Zentralen-Konstallationen eine Rolle spielen können, muss abgewartet werden. Mit ihren derzeit zwei Handvoll Wagen spielen sie bei einer möglichen Neuordnung der Zentralen-Landschaft momentan eine untergeordnete Rolle. Zumal ihnen viele Beobachter die Beantwortung der Frage nicht zutrauen, woher neue Touren für angeschlossene Wagen kommen sollen.
Marktbereinigung statt Konzessionsbeschränkung
Die kommende Marktbereinigung, also Wagenstilllegungen, sicherlich auch Betriebsschließungen und ganz sicher der Abbau von Arbeitsplätzen, sind die bittere Seite der nun in die Luft geworfenen Münze. Die vorrangige Ursache für zahlreiche Verwerfungen in der Hamburger Taxenbranche ist schnell benannt: Es ist die Überkapazität der gleichzeitig betriebenen Wagen, welche an den allermeisten Tagen und in der Mehrheit der Wochenstunden durch die zahlreichen an Taxiposten herumstehenden Taxen dokumentiert werden. Die hohen Standzeit verursachen mickrige Stundenumsätze und -löhne, was viele Taxifahrer, angestellte und selbständige, durch eine Verlängerung der Arbeitszeiten zu kompensieren versuchen. Da ein sprunghafter Anstieg an Touren nicht zu erwarten ist, gibt es, will man die heutigen unsozialen und nun auch als rechtswidrig erkannten Zustände ändern, als Problem-Lösung nur die Reduzierung der Überkapazität. Dabei muss der derzeitig unfaire Wettbewerb untereinander beendet werden. Dieser unfaire Wettbewerb untereinander zeigt sich z.B. auf dem Fahrer-Markt dadurch, dass immer wieder ehrlicheren Taxenunternehmern Mitarbeiter abhanden kommen, die für zwei, drei Prozente an sofortigen Mehreinnahmen zu Unternehmern wechseln, welche im Gegenzug weder Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall noch bezahlten Urlaub berücksichtigen. Auch das vielerorten vorhandene Einvernehmen zwischen Unternehmern und Angestellten macht das weit verbreitete rechtswidrige Agieren nicht legitimer und schon gar nicht legal. Das war weder in den schlechten, alten Zeiten von Schwarzarbeit und Schwarzentlohnung, von Wagenvermietungen im großen Stil und von Freischichten so, und das ist es heute auch nicht. Wenn die Taxenaufsicht, wie angekündigt, bei den einvernehmlichen Rechtsbrüchen durchgreifen wird, ist das so richtig wie überfällig. Denn solches Verhalten, wie man es nicht zuletzt bei den flächig vorsätzlich falsch berechneten Sonn-, Nacht- und Feiertags-Zuschlägen sehen kann, schädigt ob ihrer steuerverkürzenden Wirkung nicht nur den Staat, sondern auch ob der abgabenverkürzenden Wirkung die Solidargemeinschaft der Pflichtversicherten. Auch wenn die kommenden Marktbereinigungen Arbeitsplatz-Verluste bei unselbstständigen Taxifahrern bedeutet, ist es aber allemal besser, nach Wegfall von beispielsweise 10% der heutigen Taxenflotte für die restlichen 90% auskömmlichere Einnahmen und Löhne zu haben. In den Fällen, in denen einzelne ehemalige Angestellte in die Selbstständigkeit wechseln und einen eigenen Wagen anmelden, ist die Präsenz aber nicht höher als 50% der Präsenz jenes MWU-Wagens, den diese vorher fuhren. Selbst beim unwahrscheinlichen Fall eines kompletten Ausgleichs von stillgelegten MWU-Wagen durch neue Allein-Unternehmer-Wagen käme die tatsächliche Straßenpräsenz nicht mehr auf den gleichen Stand wie vorher. Und das ist auch gut so.
Die Marktbereinigung, die dem konsequenten Anwenden von Arbeitnehmerschutz-Gesetzen sowie der Unterbindung von leistungsabhängigen Fahrerlöhnen folgt, wird effektiver sein als jede Konzessionsbeschränkung. Letztere wären eine Gelddruckmaschine für jene, die auf dem Taximarkt erst durch jahrelanges Ignorieren zahlreicher Gesetze zu mehreren oder gar vielen Konzessionen gekommen sind. Durch Konzessionsbeschränkungen kämen, wegen des Rechtsgrundsatzes des Bestandsschutzes, erst einmal keine Wagen von der Straße. Dafür würden mittels trickreicher und juristisch nicht angreifbarer Konstrukte ein Handel mit Konzessionen entstehen, wie er schon woanders zu beobachten ist: In Frankfurt zahlt man für die Konzession, im Paket mit Schrottwagen und konzessionstragender Firma, einen gerüchtweise höheren fünfstelligen Betrag. Griechische Taxifahrer nutzten den sechsstelligen Wert ihrer Lizenzen gar zur Alterssicherung, und in New York wurden schon für eine einzelne Konzession siebenstellige Beträge gezahlt. Wer bisherige MWUs dafür, dass diese vielfach die Tourensuppe wässrig gemacht haben zu Lasten ihrer Arbeitnehmer und zu Lasten der übrigen Marktteilnehmer, wer diese MWUs auch noch belohnen will mit überraschenden neuen Buchwerten bis in die Millionen-Höhe, der kann gerne weiter einer Konzessionsbeschränkung das Wort reden. Alle anderen sollten lieber auf die marktbereinigende Wirkung der konsequenten Gesetzes-Anwendung setzen.
Der unfaire Wettbewerb auf dem Taxenmarkt untereinander zeigt sich auch an anderen Beispielen. Wer, wie derzeit beobachtbar, mit Millionenbeträgen im Hintergrund in Hamburg eine Oberklassen-Flotte mit Phaetons aufbaut, macht das allemal leichter vor dem kalkulatorischen Hintergrund, zuerst einmal nur Fahrzeugkosten fest einplanen zu müssen. Die im Ergebnis viel höheren Personalkosten fallen erst mit Einsetzen von Umsatz an. Würde auch im Taxigewerbe Personalkosten, wie in sämtlichen anderen Branchen Standard, schon von von Anfang an mit einkalkuliert werden müssen, würde ein Taxen-Unternehmer nur noch Wagen-Kapazitäten aufstocken können bei einer wachsenden Auslastung seiner Fahrzeuge, für die er zuvor oder zumindest parallel selbst sorgen müsste. Die Kosten für ein Wachstum zahlen bei einer sauberen Kalkulation der Aufwendungen für Fahrpersonal künftig weder die angestellten Fahrer noch die alleinfahrenden Mitbewerber, denen bisher die Suppe mit jedem neuen Schichtwagen dünner gemacht wurde.
„Hamburger Modell 2.0“ fördert den fairen Wettbewerb
Die Hamburger Ämtern und Behörden, hier das „Amt für Arbeitsschutz“ und die staatliche Taxenaufsicht bei der „Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation“, haben mit den einschlägigen Arbeitnehmerschutz-Gesetzen und dem nun auch für das Taxengewerbe anzuwendende „Fahrpersonalgesetz“ einen mächtigen Hebel, um wieder mehr Ordnung und Ordentlichkeit in eine Branche zu bringen, in der bisher vielfach Wild-West-Methoden galten und auch immer noch gelten. Mit den seit 2004 eingeführten Plausibilitäts-Kontrollen wurde unter dem Schlagwort „Hamburger Modell“, vielfach durchschlagend, gegen weit verbreitete Phänomene wie Schwarzarbeit sowie Steuer- und Abgaben-Unehrlichkeit angegangen. Besonders schlimme Exzesse eines unfairen Wettbewerbs innerhalb der Unternehmerschaft wurden wirksam zurückgedrängt.
Bei einer konsequenten Anwendung der verschiedenen einschlägigen Arbeitnehmerschutzgesetze sowie des Fahrpersonalgesetzes werden der weiteren Gesundung der vielfach kränkelnden Taxenbranche Vorschub geleistet – ein „Hamburger Modell 2.0“, auf deren Nachahmung in anderen Bundesländern angesichts der fast einheitlichen Rechtsbeurteilung des „Fahrpersonalgesetzes“ man mit mehr Fug und Recht hoffen kann. Insbesondere die unzulässige und geradezu sittenwidrige Verlagerung des unternehmerischen Risikos auf angestellte Arbeitnehmer ist ein zu bekämpfendes Grundübel. Faktisch sind vorgeblich angestellte Taxifahrer bei solchen reinen Provisionslöhnen nur verkappte Scheinselbständige. Dass mit solchen Beschäftigungs-Modellen nicht nur die angestellten, sondern auch die hart arbeitenden selbstständigen, alleinfahrenden Taxiunternehmer geschädigt werden, liegt auf der Hand. Diese große Gruppe der selbstständigen Alleinfahrer wird, neben den angestellten Fahrern, einer der Haupt-Profiteure der sich abzeichnenden Marktänderungen sein.
Plausibilitäts-Prüfungen auch bei Arbeitszeiten
Damit es zu den angestrebten Änderungen auf dem bisherigen Wild-West-Markt „Taxengewerbe“ kommt, werden wirksame staatliche Kontrollen gerade der Einhaltung von Arbeits- und Pausenzeiten notwendig sein. Die bisherige Zurückhaltung der beiden Ämter bei konkreten Nachfragen über die Art und Weise künftiger Kontroll-Mechanismen zeugt von einer Übervorsichtigkeit, die fehl am Platze ist. Moderne Taxameter erfassen und speichern neben Umsätzen auch Zeiten. Ergänzt um konkreten Personen zuordenbare Schicht-An- und Abmeldungen sowie Pausenzeiten sind die Taxameter-Daten ausreichend, auch im Hinblick auf Lenk- und Ruhezeiten zu durchschlagenden Plausibilitäts-Prüfungen zu kommen. Die dann abnehmende Wagen-Präsenz ist in Zeiten hoher Überkapazit&
uml;ten kein Übel, sondern für fast alle Beteiligten von Vorteil: Bei sinkender Präsenz steigen die stündlichen Erlöse der auf der Straße verbleibenden Wagen, wenn etwa am Posten statt drei nur noch zwei oder statt 15 nur noch 10 Wagen stehen. Da der Touren-Kuchen bei mäßig abnehmender Präsenz in etwa gleich groß bleibenden wird, werden die Touren-Teile der einzelnen gerade fahrenden Wagen größer werden. Der bisherige Zwang zu langen Schichtzeiten schwindet flächig. Allerdings wird die Branche ganz sicher nicht aus sich selbst heraus dazu in der Lage sein zu, hier ist eine nachdrückliche staatliche Überwachung der Einhaltung von Arbeits- und Ruhezeiten zwingend nötig. Die Branche kann einStück weit flexibler gemacht werden, wenn für die selteneren Zeiten von z.B. wetterbedingter hoher Auslastung verstärkt auf Sammeltaxi-Touren umgeschaltet wird, damit die Bedienfähigkeit auf viel gefahrenen Strecken (von und zum Flughafen oder Kiez) ausreichend sichergestellt werden kann. Für rare Ereignisse wie „Tanz in den Mai“ und die Silvesternacht kann man allerdings an den übrigen 363 Tagen des Jahres keine unvernünftigen Überkapazitäten bereithalten können. Dass die bisher unregulierten Lenkzeiten selbstständiger Taxifahrer nicht auf alle Ewigkeit im rechtsfreien Raum verbleiben werden, sollte dabei von einer kluger Gewerbepolitik mit berücksichtigt werden.
Gutes neues Personal dank „Hamburger Modell 2.0“
Die konsequenten Anwendung der verschiedenen einschlägigen Arbeitnehmerschutzgesetze sowie des Fahrpersonalgesetzes wird auch an anderer Stelle zu segensreichen Konsequenzen führen: Bei der Qualität des Fahrpersonals. Bei sinkenden Schichtzeiten und steigenden Stundenlöhnen sowie der Einhaltung von in anderen Branchen längst gewohnten Mindeststandards lassen sich vermehrt gerade ältere Arbeitslose für den Taxifahrer-Beruf gewinnen. Diese Personen bringen vielfach in Jahrzehnten gesammelte Stadtkenntnisse sowie eine notwendige Erfahrung und Gelassenheit im städtischen Straßenverkehr mit. Auch ehemalige Selbstständige werden dann durch das schwindende Image eines Loser-Jobs im Billiglohn-Bereich nicht mehr abgehalten, hier eine Alternative zur Arbeitslosigkeit zu finden. Diese Personengruppen mit einem ausreichenden Maß an Lebenserfahrung sind gegenüber den heute nachdrängenden Machismo-Jungspunden für eine verantwortungsvolle Aufgabe wie die Beförderung von Menschen deutlich besser geeignet.
Gutes Fahrpersonal ist schon deshalb von hoher Wichtigkeit, weil der Taxibranche eine positivere Zukunft beschieden ist: Gerade in urbanen Milieus wächst die Gruppe jener, die nicht mehr unbedingt Lebensqualität über die ständige Verfügbarkeit eines eigenen Autos als Grundlage von Lebensqualität definiert. Mobilität stellt diese wachsende Gruppe häufig gut situierter Menschen, die müde sind von einer immer entnervenderen Parkplatzsuche für den eigenen PKW, auf vielfältige Art und Weise her: Die Zunahme an Fahrten im Hamburger Verkehrsverbund (HVV) ist dafür ebenso Beweis wie die sprunghaft angestiegenen Ausleihzahlen der roten Statträder oder auch die Zunahme von Car-Sharing-Konzepten wie Car2Go. Wer künftig nicht mehr mit dem eigenen Wagen zu Freunden oder Festivitäten fährt, sondern mit Bahn, Bus, Leihfahrrad oder via Car-Sharing, der greift künftig auch verstärkt, z.B. für die Rückfahrt, zu dem Gelegenheits-Verkehr Taxi. Solche Wachstumsaussichten werden befördert mit besserem Personal – und blieben beschränkt, bliebe es bei den heutigen prekären Beschäftigungsverhältnissen in einem unordentlichen Niedriglohn-Sektor. Von der Visitenkarten-Funktion für von auswärts kommenden Geschäftsleuten sowie Touristen ganz zu schweigen.
Fazit
Die konsequente Anwendung der verschiedenen Arbeitnehmerschutzgesetze und des Fahrpersonalgesetzes stellen die Mehr- und insbesondere die Vielwagen-Unternehmer vor die Herausforderung, selbst verstärkt für Touren-Geschäft und damit für Auslastung ihrer Fahrzeuge zu sorgen. Sie müssen ihre Aufgabe als Unternehmer annehmen und können nicht in der Rolle der Fuhrparkverwalters verharren. Den Taxen-Unternehmern wachsen als neue, zusätzliche Aufgaben Kunden-Akquise sowie Personal-Anleitung zu. Der durch die zuständigen Behörden und Ämter auszuübende Druck zugunsten von sozial verträglichen Arbeitsbedingungen wird auch den fairen Wettbewerb in dem Gewerbe stärken. Profiteure dieses fairen Wettbewerbs werden nicht nur die angestellten Taxifahrer sein, sondern auch die alleinfahrenden Unternehmer, welche in Folge der einsetzenden Marktbereinigungen eine Milderung des bisher von kapitalkräftigen Vielwagen-Unternehmern ausgehenden ökonomischen Drucks spüren werden. Die bisher festgefügten Zentralen-Strukturen werden nicht nur durch neue technische Entwicklungen (Apps) weiter aufgebrochen, sondern auch durch den ökonomischen Zwang für Mehrwagen-Unternehmer, verstärkt für Eigengeschäft zu sorgen. Die konsequente Anwendung der genannten Gesetze ist ein besserer Hebel zur Erlangung gesunderer wirtschaftlicher Verhältnisse als Konzessionsbeschränkungen, welche die Ursache des vielfachen Elends nicht beheben. Mit der Einführung normaler Arbeitsstandards in der heutigen Taxenbranche mit ihren Wild-West-Unsitten wird es auch möglich sein, wieder qualifizierteres Personal, insbesondere aus den Bereichen älterer Arbeitsloser und ehemaliger Selbstständiger anzulocken, was die Voraussetzung dafür ist, die künftigen Herausforderungen für die großstädtischen Branche zu meistern.
Links zum Thema: Zusammenfassender Bericht: „Provisions-Löhne für Taxifahrer sind rechtswidrig“
Text: Clemens Grün
Erstveröffentlichung: 23. Januar 2012
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