HANSA: Lohse war Kontrolleur der „Schwarzen Kassen“

Wenn es nach dem Vorsitzende Richter Dr. Steinmann ginge, dann könnte mit den Zeugenaussagen und Verlesungen am Montag letzter Woche die Beweisaufnahme beendet werden. Zwar muss er gemeinsam mit den beiden Schöffen noch über einige Beweisanträge der Verteidigung entscheiden, ob das Gericht die schon mal dagewesenen Zeugen wie den Aufsichtsratsvorsitzenden Hofschulte oder die beiden ehemaligen AR-Mitglieder Birgit Färber und Peter Kolbeck jr. erneut vorlanden möchte. Die beiden letzteren haben, nachdem sie vor Gericht noch die Aussage verweigert hatten, zwischenzeitlich bei der Kriminalpolizei Aussagen gemacht. Und Thomas Hofschulte soll nach dem Willen der Verteidiger mit den widersprüchlichen Aussagen anderer Zeugen, insbesondere der des ehemaligen AR-Mitglieds Robert Deifts konfrontiert werden. Letzteren Antrag wünschte die Staatsanwältin "wegen Bedeutungslosigkeit" abzuweisen.

 

Auch Dr. Steinmann ließ erkennen, das er die Sache für entscheidungsreif hält. Dabei geht es insbesondere um die Frage, ob der Tatbestand der Untreue – seit dem "Siemens-Urteil" des Bundesgerichtshof 2008 wird dieses für "Scharze Kassen" im Grundsatz bejaht – auch dann gegeben ist, wenn auch Mitglieder des Aufsichtsrates, gar dessen Vorsitzender, davon Kenntnis hatten, und zwar unabhängig davon, ob Angeklagte sich aus den "Schwarzen Kassen" persönlich bedient hätten oder nicht. Allein die Tatsache, dass durch die "Schwarzen Kassen" das für die Finanzen letztendlich zuständigen Gremium "Generalversammlung" keinen Zugriff auf diese Gelder hatte, reicht nach Meinung der Staatsanwältin für eine Verurteilung wegen "Untreue zu Lasten der Genossenschaft".

 

Es geht nicht zuletzt auch um die Frage, wieviele Mitglieder der Hansa-Genossenschaft überhaupt Kenntnis von diesen Machenschaften hatten. Die Angeklagten und sie Unterstützende (wie Deifts) meinen: Viele. Das klang bei einem geladenen Zeugen von der Basis ganz anders: Stefan W., der zwar bei fast jeder Generalversammlung anwesend ist, aber nie eine Funktion inne hatte, sagte dem Gericht, dass weder er noch geschätzte "95% der Genossenschafts-Mitglieder" Kenntnis von den "Schwarzen Kassen" gehabt hätten. Er erfuhr davon "aus der Morgenpost" und sei "aus allen Wolken gefallen". Er jedenfalls fühlte sich von den Verantwortlichen "getäuscht und betrogen".

 

Einer, der auch Verantwortung trägt für dieses jahrzehntelange Praxis, ist Thomas Lohse. Derzeit ist er 2. Vorstand der Hansa-Genossenschaft, ferner Vorsitzender des Hansa-Verbandes "Taxenunion", dazu im erweiterten Vorstand des Bundesbandes BZP – und seit einigen Monaten auch noch der Vertreter des Personenbeförderungs-Gewerbes in der Hamburger Handelskammer. Und er war, mehr als ein Jahrzehnt lang, Aufsichtsrat der Genossenschaft. Seine Aussage, die der ansonsten recht souveräne Multifunktionär zunehmend nervös abgab, geriet zum Desaster. Für seine zehnjährige Zeit als Aufsichtsrat bis 1998 sind strafrechtliche Verfehlungen verjährt, und so musste er wahrheitsgemäß zugeben, während seiner damaligen Aufsichtsrats-Zeit, wie jedes andere damalige AR-Mitglied, von den "Schwarzen Kassen" gewußt zu haben. Er, Lohse, wurde darüber von seinem Vorgänger informiert. Bedrängt von den Fragen des Kruse-Anwaltes gab Lohse dann auch zu: "Ich habe die „Schwarzen Kassen“ geprüft". Gemeint ist die Vorstands-Buchhaltung der "Schwarzen Kassen" die, zumindest früher, regelmäßig von der Spitze des Aufsichtsrat daraufhin überprüft wurde, dass die Schwarzgelder nur für Hansa-Belange ausgegeben wurden und nicht für private Dinge. Nach der Prüfung dieser "Schwarze Kassen"-Buchhaltung durch den 1. Vorsitzenden des Aufsichtsrates oder seinen Stellvertreter wurden diese Unterlagen dann geschreddert.

 

Die spannende Frage, was denn die Aufsichtsrats-Mitglider von den "Schwarzen Kassen" wußten, beantwortete Thomas Lohse differenziert: Zu seiner langjährigen Zeit der AR-Zugehörigkeit bis 1998 ist er "der Auffassung, dass alle AR-Mitglieder Bescheid wußten", er selbst habe sich "mit dem Mist beschäftigten müssen". Als er zehn Jahre später, Ende 2008, nach der Razzia und in der Zeit der Aufarbeitung wieder in den Aufsichtsrat gewählt wurde, war es anders: "Es wußten einige". Der AR-Vorsitzende Hofschulte hatte schon damals gegenüber Lohse betont, nichts davon gewußt zu haben, auch seien, entgegen früheren Zeiten, die Buchhaltung der „Schwarzen Kassen“ "offensichtlich vom AR eine Zeit lang nicht geprüft worden".

 

Es war der jetzt angeklagte ehemalige 1. Vorstand Jürgen Kruse, der den Zeugen mit Vornamen ansprach und an die lange gemeinsame Zeit bei Hansa erinnerte. Und dann fragte er den "Thomas" explizit, ob er "Berührungspunkte zu den „Schwarzen Kassen“ " gehabt habe nach seiner ersten AR-Zeit bis 1998 und vor seiner erneuten AR-Zeit seit Ende 2008. Der Zeuge schwieg, und Kruse fasste nach: Sie beide hätten doch in dieser Zeit einige Jahre den Vorstand der "Taxenunion" gebildet, ob er sich denn gar nicht an "Transaktionen aus den „Schwarzen Kassen“ erinnere?" Während Kruse diese Worte wählte, hob er einen Aktenordner vom Fußboden und legte diesen auf den Tisch. Lohse erschrak merklich und reklamierte überraschenderweise ein "Zeugnisverweigerungsrecht" für sich. Das steht nur Zeugen zu, die sich mit einer wahrheitsgemäßen Aussage selbst strafrechtlich belasten würden – und in diesem Verdacht stand Thomas Lohse bis zu diesem Zeitpunkt weder bei der Staatsanwältin noch beim sichtlich überraschten Richter noch bei den Prozessbeobachtern. Eine schriftliche Anfrage von TAXI-MAGAZIN.DE, ob es zuträfe, dass er, Lohse, Gelder für seine Funktion bei der "Taxenunion" aus Hansas "Schwarzen Kassen" erhalten hätte, liess er unbeantwortet. Nach Informationen von Mitglieder der "Taxenunion" wurden nach der Razzia der Steuerfahndung 2008 und dem raschen Ende der "Schwarzen Kassen" die Beiträge der Taxenunion schlagartig erhöht.

 

Wie Lohse hielten es an den letzten Prozess-Tagen auch andere Mitglieder des Hansa-Aufsichtsrats, welches das höchste Gremium der Genossenschaft zwischen den Generalversammlungen ist: Zur Aufarbeitung der letzten, noch strafrelevanten Jahre von Hansas "Schwarzen Kassen" wollten sie nichts beitragen und verweigerten die Aussage. Als Mitwisser sind sie alle von Strafverfolgung bedroht. Insofern wäre eine neuerliche Vorlandung von Frau Färber und Herrn Kolbeck jr. interessant, haben diese beiden ihr zwischenzeitliches Schweigen gebrochen und vor der Polizei ausgesagt. Doch in der Anwaltschaft der Angeklagten gibt es Vermutungen, dass das Gericht diese Zeugen nicht noch einmal laden wird, weil das Gericht mittlerweile auf die von der Staatsanwaltschaft verfolgten juristischen Linie eingeschwenkt sei und mit einer Verurteilung der Angeklagten gerechnet werden könne. Zu erwarten ist, dass die Anwälte, als potentielles Futter für eine spätere Revision, zum heutigen Protesstag noch Beweisanträge präsentieren oder vorhandene, aber noch nicht entschiedene Beweisanträge präzisieren oder ergänzen werden.

 

Entscheidet das Gericht heute über eine Beendigung der Beweisaufnahme, dann sollen am kommenden Dienstag die Plädoyers der Staatsanwaltschaft und der vier Verteidiger erfolgen.

 

Die nächsten Gerichtstermine: Di 20.9. um 13:00 Uhr  und Di. 11.10.2011 um 12:00 Uhr im "Haus der Gerichte", Lübeckertordamm 4, jeweils im Saal 1/01 .

 

 

Text + Foto: Clemens Grün

 

Erstveröffentlichung: 20. September 2011

 

 
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