4. NORDDEUTSCHER TAXITAG: Weiterwurschteln statt Neuaufbruch
Ausrichter des 4. Norddeutschen Taxitages, welcher wie im Vorjahr in Hamburg stattfand, war die „Taxen-Union Hamburg Hansa“, der Hausverband der tourenstärksten Hamburger Taxizentrale „Hansa“, welcher auch Mitglieder aus einigen meist in Stadtrandlage befindlichen kleineren Zentralen hat. Organisiert wurde der Taxitag vom bienenfleißigen Christian Brüggmann, einer der beiden Vorsitzenden der Taxen-Union. Während der vorherige Norddeutsche Taxitag 2013 noch im November stattfand, hat man die Veranstaltung dieses Mal in den Frühsommer gezogen.
Die Besucherzahl war definitiv enttäuschend, die Örtlichkeit für den mäßigen Andrang mindestens zwei Nummern zu groß. Ich gehe von weniger als 200 regulären Besuchern aus, mitgezählt schon die Mitglieder der Taxenunion Hansa, welche freien Eintritt hatten. Wegen des spärlichen Zuspruchs wurde die Begrüßungsrede von Herrn Melsheimer, Präses der Handelskammer Hamburg, um ca. 45 Minuten nach hinten geschoben. Und auch dann war der Saal – wohlwollend – maximal zu einem Drittel gefüllt.
In einer Halle waren Wagenaussteller, die nach meiner Beobachtung zu den meisten Zeiten mengenmäßig gegenüber den dortigen Besuchern in der Überzahl waren. Andere Aussteller (Software, Versicherungen, Dienstleister usw.) waren in einem Zelt untergebracht. Eine Vermutung für den Mangel an Besucher-Zuspruch ist: Großen Teilen des Gewerbes ist das Informationsangebot bei diesem Format zu mager, andere stoßen sich an der ermüdenden Wiederholung des Immergleichen. Erschwerend kam hinzu, dass Diskussionen und Austauschmöglichkeiten über Orts- und Lagergrenzen hinweg schlicht nicht vorgesehen waren. Zumindest hatte in etwa die Hälfte der mit ca. 400 angegeben Besucherzahl des letzten Taxitags dieses Mal nicht den Weg zu der ersten größeren deutschen Taxiveranstaltung nach der novemberigen Leitmesse in Köln gefunden.
Gerade der Haupt-Programmpunkt „App-Anbieter und TAXI 2020“ war eine Mogelpackung. Über Strategien von Konkurrenten der klassischen Taxizentralen sowie über kommende Herausforderungen des Taxigewerbes kann nicht umfassend genug informiert und auch diskutiert werden. Spannende Zukunftsthemen über Gefahren und Chancen des Taxigewerbes gibt es reichlich: Das „Hamburger Modell“ und nicht Konzessionsstopps bringen in großen Städten einen Abbau der Überkapazitäten und damit steigende Einnahmen für viele der verbliebenen 90% an Taxis (weshalb das „Hamburger Modell aktuell in Berlin übernommen wird). Oder das im übernächsten Jahr flächendeckend einzuführende Fiskaltaxameter, dass die Kalkulationsgrundlage der allermeisten städtischen Taxiunternehmen massiv berühren wird. Oder die perspektivische Verlagerung der Arbeitsschwerpunkte von Taxizentralen auf noch mehr Dienstleistungen wie Abrechnungen und Beratung, weil die reine Tourvermittlung mehr und mehr mit Apps erledigt werden wird. Oder die Erneuerung der Taxi-Flotten mit umweltfreundlichen Antrieben (Stichwort: Elektromobilität) samt einer ökonomischeren Betrachtungsweise bei Wagen-Anschaffungen in dieser immer noch stark nach Mercedes und Diesel müffelnden Branche. Oder die demografische Entwicklung, die gerade in ländlichen Bereichen dem Verkehrsträger Taxi neue Herausforderungen und Perspektiven beschert. Oder … Oder … Oder…
An Zukunftsthemen mangelt es nicht, aber es mangelte an der Behandlung solcher Zukunftsthemen beim 4. Norddeutschen Taxitag. Von den erwähnten Zukunftsthemen wurde kein einziges auch nur gestreift. Für mich ein Desaster. Taxi 2020? Das Thema „Zukunft des Taxigewerbes“ wurde schlicht von allen Diskussionsteilnehmern geflissentlich ignoriert. Warum hat ein App-Anbieter wie mytaxi überhaupt einen solchen erfolgreichen Start hinlegen können, welche Defizite im Taxigewerbe sind dafür verantwortlich? Zu solchen Themen kam selbst auf Nachfrage – nichts. Außer ein bisschen Hansa-Selbstbeweihräucherung (drei der sechs Teilnehmer des Podiumsplausches sind Mitglieder oder Mitarbeiter dieser Taxizentrale) und Nebensächlichkeiten („Sollte dem Taxigast ein Mineralwasser angeboten werden?“) gab es – nichts. Vor allem keinerlei weiterführender Erkenntnisgewinn. Weshalb ein kritischer Vertreter der Taxi-Medien nach Beendigung dieser überflüssigen Gesprächsrunde feststellte, er hätte schon nach kurzer Zeit aufgehört, sich Notizen zu machen.
Wenn es einen Moment der Faktenfülle gab, dann war es der Vortrag von Rechtsanwalt Benjamin Sokolovic, einerseits Hauptgeschäftsführer des Gesamtverband Verkehrsgewerbe Niedersachsen e.V. (GVN) und andererseits Rechtsanwalt vieler Taxiunternehmer. Er sprach über zahlreiche „Fallen beim Mindestlohn“. Von Details in Arbeitsverträgen bis zur gesetzeskonformen Pausenregelung spann der im Stoff stehende Mann einen weiten Bogen. Nicht für jeden war alles neu, aber in diesem faktengespickten und verdichteten Vortrag konnte vermutlich jeder noch etwas Neues entdecken und mitnehmen. Der nachfolgende Vortrag von Herrn Zucker von der „Bundesfinanzdirektion Nord“ über die Zoll-„Prüfungen des Mindestlohns durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit“ geriet dann aber zu einer unpassenden Darstellung über Rechtsgrundlagen des Zolls und dessen organisatorischen Aufbau (siehe Foto oben – beim Draufklicken in groß und scharf). Für den Taxi-Praktiker war dieser Vortrag ähnlich blutleer und praxisfern wie die anfängliche Diskussionsveranstaltung. Erst bei Nachfragen aus dem Publikum gab es dann einige Fakten und Einschätzungen für die Praxis, aber auch die nur in überschaubarer Quantität und Qualität. Wieder eine verpasste Chance.
Es gibt die Fehleinschätzung vieler Taxi-Funktionäre, dass der einfache Taxiunternehmer nur an praktischen Handreichungen, nicht aber an konzeptionellen Fragestellungen, schon gar nicht an Diskussionen und Diskursen interessiert ist. Diesbezügliche Erfahrungen will ich keinesfalls negieren. Aber mit allem Nachdruck darauf hinweisen, dass sich daran auch nichts ändern wird, wenn nicht immer wieder neue Angebote gemacht werden. Gerade in Zeiten, in denen das Taxigewerbe direkt berührt wird von zahlreichen technologischen und politischen Umwälzungen, von Mindestlohn und Angebotsverlagerungen in das Internet über mögliche Reformen des PBefG (Personenbeförderungsgesetz) und kommendes Fiskaltaxameter bis zu Elektromobilität und Neuausrichtungen in der Verkehrspolitik, müssen immer wieder Reizpunkte auch in die gewerbeöffentliche Breite gesetzt werden. Vorausgesetzt, man glaubt noch an eine gedeihliche Zukunft des Mobilitätsangebotes „Taxi“. Ohne breiter angelegte Informationen und Diskussionen im Taxigewerbe wird eine solche gedeihliche Entwicklung kaum von selber kommen. Wer weiterwurschteln will wie bisher, wer sich nicht an die zahlreichen Zukunftsthemen heranwagt und dabei auch den normalen Taxiunternehmer mitzunehmen versucht, der kämpft nicht wirklich um seine Zukunft. „Sie sollten selbstbewusster werden“, mahnte schon Herr Melsheimer, Präses der Hamburger Handelskammer, in seiner Begrüßungsrede. Bezogen auf diesen Taxitag: Vergeblich. Mit einem solchen defensiven und uninspirierten Weiterwurtscheln macht man es Konkurrenten wie Uber zu leicht – und sich selbst unnötig schwer. Ob man beim nächsten Taxitag, 2017 und vermutlich in Rostock, mehr Aufbruch und Vorwärtsgewandtheit wagen wird? Nötig wäre es.