TAXITARIF: Streit und Ungewissheiten bei der Erhähung für 2011

Martin Huber (53) ist verblüfft: Als oberster Taxen-Aufseher ist der Leiter des Rechtsamtes der Hamburger BSU (Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt) auch zuständig für den staatlich verordneten Taxitarif der Hansestadt. Bevor Huber 2004 diese Position einnahm, war es üblich, dass auf Phasen jahrelanger Tarifstagnation eine spürbare Erhöhung folgte. Mit dieser Tradition hat er gebrochen und, mit Ausnahme von 2009, jährlich für eine kleinere Anpassung gesorgt. Doch dieses Jahr sind die Vertreter des Taxengewerbes gar nicht erpicht auf eine prozentuale Erhöhung, beispielsweise für die in letzter Zeit deutlich gestiegenen Kraftstoffpreise. Vielmehr wird von Gewerbevertretern der Wegfall der sogenannten „Karenzminute“ gefordert.

Die „Karenzminute“ gibt es außer in Hamburg nur in wenigen Städten oder Gemeinden: Immer, wenn das Taxi steht oder mit sehr geringer Geschwindigkeit rollt, steht auch das Taxameter – für die nächsten 60 Sekunden. Fährt der Wagen dann im städtischen Stop-and-Go kurz wieder an und kommt erneut zum Stehen, beginnt eine weitere Gratisminute. Der von der Behörde gewünschte Effekt: Für den Fahrgast ist die selbe Strecke immer gleich teuer – egal, wie lange die Fahrt dauert. Für Taxifahrer und -unternehmer ist das ein Ärgernis: Verordnet Ihnen die Stadt die Pflicht zur unbezahlten Arbeit, wenn sie mit Kunden unverschuldet in einem Stau stehen. Manche haben die Konsequenz gezogen und meiden während der Rush-Hour-Zeiten die Innenstadt, was immer wieder zu Engpässen bei der Bedienfähigkeit im Innenstadtbereich führt.
 

Gewerbevertreter zeigten sich einig
 
Die Gewerbevertreter in den Hamburger Taxiverbänden zeigten sich bei der Sitzung des „AK Marktdaten“ am 9. März 2011 in der BSU einig in ihrer Ablehnung einer üblichen prozentualen Tariferhöhung. Stattdessen fordern sie die Streichung der Karenzminute, welche im Jahre 2000 eingeführt wurde. Doch ohne belastbare Zahlen über die Auswirkungen dieser „stillen Tariferhöhung“ will Amtsleiter Huber von der Karenzminute nicht abrücken – und an diesen belastbaren Zahlen mangelt es bisher.

Einzelne Unternehmer wie Aurel Tetzlaff (71) oder das Hansa-Genossenschaftsmitglied Ivica Krijan (42) haben auf eigene Faust Zahlen ermittelt. Dabei wählten sie unterschiedliche Methoden: Tetzlaff, der auch 1. Vorsitzender des wiederbelebten HTV (Hamburger Taxenverband) ist, ließ ein Taxameter mit dem Taxitarif aus Frankfurt/Main in seinen Privatwagen einbauen. Gemeinsam mit einer seiner Taxen, dessen eingeschalteter Taxameter den Hamburger Fahrpreis anzeigte, fuhr er in seinem Privatwagen sechs Strecken an einem Freitag Vormittag ab und ermittelte die Differenzen zwischen dem Hamburger und dem Frankfurter Tarif. Auch nach wiederholten Überprüfungsfahrten an weiteren Freitagen zur gleichen Zeit steht für Tetzlaff fest: In Frankfurt gibt es für die gleichen Strecken deutlich mehr Geld. Die Differenz zwischen dem Hamburger Tarif mit und dem Frankfurter Tarif ohne Karenzminute beträgt seinen Messungen zufolge ca. 13 bis 14 Prozent.

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Ivica Krijan. Er nutzte eine Stopuhr zur Ermittlung der verkehrsbedingten Stillstände ohne Bezahlung. 250 Fahrten, teilweise im vollen nachmittäglichen oder abendlichen Hamburg, teilweise nachts, trug er akribisch in einer Tabelle zusammen. Nach Auswertung dieser Tabelle steht auch für Krijan fest: Ohne die „Karenzminute“ hätten seine Fahrten in etwa 13% mehr eingebracht.
 

Prozentuale Erhöhung vor der Änderung der Zuständigkeiten
 
Doch Martin Huber von der BSU möchte erst Testfahrten abwarten, die unter der Leitung von Thomas Lohse (51) absolviert werden sollen. Lohse ist zweiter Vorstand der „Hansa Funktaxi eG“ und Vorsitzender des Gewerbeverbands „Taxen-Union Hamburg Hansa e.V.“ sowie der Vertreter des Personenbeförderungs-Gewerbes in der Hamburger Handelskammer. In dem avisierten Test sollen in einigen Taxen zwei Taxameter parallel installiert werden – eines mit dem gültigen Tarif mit den kostenlosen 60 Sekunden bei Wagenstillstand, und eines mit dem gleichen Tarif, aber ohne die Karenzminute. Doch technische Probleme bei der Parallel-Installation verzögerten die Tests mit den zwei parallelen Taxametern. Belastbare Zahlen, die als sichere Grundlage für einen Tarifvorschlag der Hamburger Taxiverbände gegenüber den bisher skeptischen Behördenvertretern genutzt werden sollen, werden kaum vor dem Sommer erwartet.

Die bisher fehlenden Ergebnisse behindern aktuell die Verhandlungen über die Abschaffung der „Karenzminute“. Mittlerweile drückt die BSU aufs Gaspedal und hat Verbände und Zentralen zur Anhörung des behördlichen Vorschlages einer prozentualen Erhöhung von etwas mehr als 4% zum 4. Mai eingeladen.

Hinzu kommt die Verschiebung der Zuständigkeiten durch den neuen Zuschnitt der Wirtschaftsbehörde, die künftig für das bisherige BSU-Dezernat „Infrastruktur und Verkehr“ (Leiter Ulrich Werner, 53) und damit auch für Taxi-Aufsicht und -tarif zuständig sein wird. Martin Huber als Leiter des Rechtsamtes der BSU, bisher für die Hamburger Taxen verantwortlich, bleibt bei der BSU und verliert damit in den nächsten Wochen seine Taxen-Zuständigkeit. Offensichtlich ist es das Ziel, bis dahin noch eine prozentuale Tarif-Erhöhung unter Dach und Fach zu bekommen – mit einer strukturellen Änderung des Hamburger Taxitarifs durch den Wegfall der „Karenzminute“ sollen sich dann erst die kommenden Zuständigen auseinandersetzen.

 

Text + Foto: Clemens Grün

 

Erstveröffentlichung: 13. April 2011

 

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